Leitsatz (amtlich)

Bei einstweiligen Verfügungsverfahren in Wettbewerbssachen, in denen die Verwendung einer nicht den Anforderungen der §§ 312c Abs. 1 Satz 1, 355 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechenden Widerrufsbelehrung untersagt werden soll, kann bei der Bemessung des Streitwerts von einem Richtwert von 3.000 EUR ausgegangen werden.

 

Normenkette

BGB § 312c Abs. 1 S. 1, § 355 Abs. 2 S. 2; ZPO § 3

 

Verfahrensgang

LG Hildesheim (Beschluss vom 10.08.2007; Aktenzeichen 11 O 4007)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der 2. Kammer für Handelssachen des LG Hildesheim vom 10.8.2007 abgeändert.

Der Streitwert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die gem. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat Erfolg. Das Interesse der Antragstellerin am Erlass der einstweiligen Verfügung erscheint mit einem Streitwert von 3.000 EUR ausreichend bemessen.

Bei der Bestimmung des klägerischen Interesses sind u.a. zu berücksichtigen die Gefahr der Beeinträchtigung des verletzten Mitbewerbers durch die angegriffene Wettbewerbshandlung (vgl. SchneiderHerget, Streitwertkommentar für den Zivilprozess, 12. Aufl., Rz. 2369 f.) sowie Art und Umfang der Streitsache, vgl. § 12 Abs. 4 UWG. Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint dem Senat vorliegend ein Streitwert von 3.000 EUR als angemessen.

1. Die Antragstellerin wendet sich dagegen, dass der Antragsgegner in seinem Internetauftritt eine nicht den Anforderungen der §§ 312c Abs. 1 Satz 1, 355 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechende Widerrufsbelehrung verwende. Ein derartiger Wettbewerbsverstoß wird die geschäftlichen Belange des verletzten Mitbewerbers nach Einschätzung des Senats in aller Regel nur unwesentlich beeinträchtigen. An der Erfüllung der entsprechenden gesetzlichen Verpflichtungen besteht zwar zum Schutze der Verbraucher ein erhebliches Allgemeininteresse, weshalb Widerhandlungen regelmäßig die Bagatellgrenze des § 3 UWG überschreiten. Die Interessenlage des Mitbewerbers, die die Streitwertbemessung für einen Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG maßgeblich beeinflusst, wird durch einen solchen Wettbewerbsverstoß jedoch nur unwesentlich berührt. Der Umstand, dass eine Widerrufsbelehrung inhaltlich nicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht, erscheint dem Senat zunächst nur als bedingt geeignet, die Kaufentscheidung des Verbrauchers zugunsten des Verletzers und zum Nachteil seiner sich gesetzestreu verhaltenden Konkurrenten zu beeinflussen. In der Regel wird der Verbraucher seine Kaufentscheidung nicht von der konkreten Ausgestaltung der Widerrufsbelehrung abhängig machen, zumal fraglich sein dürfte, ob der durchschnittliche, rechtlich nicht vorbelastete Verbraucher den gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt einer Widerrufsbelehrung überhaupt kennt (vgl. dazu auch OLG Frankfurt, Beschl. v. 17.8.2006 - 6 W 11706). Auch dass der Verletzer durch Verwendung einer zu kurzen Widerrufsfrist deshalb nennenswerte wirtschaftliche Vorteile erlangen wird, weil einzelne Verbraucher aufgrund dieser Belehrung einen im Falle der Verwendung einer inhaltlich zutreffenden Widerrufsbelehrung getätigten Widerruf nicht vornehmen, erscheint dem Senat als eher fernliegend.

2. Die vorliegende Sache ist nach Art und Umfang zudem auch einfach gelagert. Davon ist auszugehen, wenn die Sache nach Art und Umfang ohne größeren Arbeitsaufwand von den Parteien bzw. ihren Anwälten zu bearbeiten ist und sich damit als "tägliche Routinearbeit" darstellt (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 12 UWG Rz. 5.22). Einfach gelagerte Streitigkeiten sind beispielsweise in serienweise wiederkehrenden Wettbewerbsverletzungen und rechtlich eindeutigen Verstöße zu sehen (vgl. Schneider/Herget, a.a.O., Rz. 2407 f.).

Streitgegenständlich ist vorliegend eine Abmahnung wegen eines Wettbewerbsverstoßes, der in der Verwendung einer nicht den Anforderungen der §§ 312c Abs. 1 Satz 1, 355 Abs. 2 Satz 2 BGB entsprechenden Widerrufsbelehrung liegen soll. Dem Senat ist aus eigener Erfahrung bekannt, dass es sich hierbei um einen häufig vorkommenden Standardfehler in den im Internet verwendeten Widerrufsbelehrungen handelt. Diesbezügliche Abmahnungen sind einfachen Charakters, da sie sich aus verschiedenen Textbausteinen zusammensetzen. Die Abmahnungen in diesem Bereich wiederholen sich in einer Vielzahl von ähnlich gelagerten Fällen und müssen, wenn überhaupt, nur geringfügig angepasst werden (vgl. auch LG Münster, Urt. v. 4.4.2007 - 2 O 59406).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint vorliegend ein Streitwert von 3.000 EUR als ausreichend bemessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1877102

CR 2008, 331

ZAP 2008, 822

AGS 2008, 250

K&R 2008, 116

MMR 2008, 172

RVGreport 2008, 160

OLGR-Nord 2008, 309

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