Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe: Zumutbarkeit der Aufbringung der Prozesskosten durch die Insolvenzgläubiger

 

Leitsatz (amtlich)

1. In einem Insolvenzverfahren kann auch Gläubigern mit einem Anteil von weniger als 4 % der angemeldeten und anerkannten Forderungen die Finanzierung des Prozesses des Insolvenzverwalters zumutbar sein.

2. Einen festen Maßstab für die zu erwartende Verbesserung der Quote gibt es nicht (Anschluss an OLG München, Beschl. vom 5.4.2013 - 5 U 1051/13). Maßgeblich ist ein Vergleich des vorzuschießenden Betrags und der möglichen Ergebnisverbesserung in absoluten Beträgen. Voraussetzung für eine Vorschusspflicht ist dabei, dass ein deutlicher Mehrertrag gegenüber den aufzuwendenden Kosten möglich ist.

 

Normenkette

ZPO § 116

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 06.11.2014; Aktenzeichen 20 O 98/14)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde wird der Beschluss des LG Hannover vom 6.11.2014 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 28.1.2015 aufgehoben.

Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe vom 20.6.2014 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das LG dem Antragsteller als Insolvenzverwalter Prozesskostenhilfe für eine Teilklage auf Zahlung von 110.000 EUR aus dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung ohne Ratenzahlung bewilligt.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Bezirksrevisorin beim LG, die der Auffassung ist, den am Verfahren wirtschaftlich beteiligten Gläubigern sei eine Prozessfinanzierung i.S.d. § 116 Ziff. 1 ZPO zuzumuten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 10.12.2014 sowie den Nichtabhilfebeschluss des LG Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das LG hat zu Unrecht Prozesskostenhilfe bewilligt, so dass dieser Beschluss auf die Beschwerde aufzuheben und die nachgesuchte Prozesskostenhilfe zu versagen ist.

Die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO, unter denen dem Antragsteller als Partei kraft Amtes Prozesskostenhilfe zu bewilligen wäre, liegen nicht vor. Hiernach kommt die Bewilligung der Prozesskostenhilfe u.a. dann in Betracht, wenn die Kosten der beabsichtigten Rechtsverfolgung aus der verwalteten Vermögensmasse nicht aufgebracht werden können und den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Kosten aufzubringen.

Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH (BGH, Beschl. v. 9.10.2014 - IX ZA 12/13 -, Rz. 2, juris) sind Vorschüsse auf die Prozesskosten solchen Beteiligten zuzumuten, welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Verfahrenskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei dem Erfolg der Rechtsverfolgung deutlich größer sein wird als die von ihnen als Vorschuss aufzubringenden Kosten. Bei dieser wertenden Abwägung sind insbesondere eine zu erwartende Quotenverbesserung im Falle des Obsiegens, das Verfahrens- und Vollstreckungsrisiko und die Gläubigerstruktur zu berücksichtigen (BGH, Beschl. v. 13.9.2012 - IX ZA 1/12, ZInsO 2012, 2198 Rz. 2; v. 4.12.2012 - II ZA 3/12, NZI 2013, 82 Rz. 2; v. 26.9.2013 - IX ZB 247/11, WM 2013, 2025 Rz. 12; v. 21.11.2013 - IX ZA 20/13, ZInsO 2014, 79 Rz. 3; jeweils m.w.N.).

Gemessen an diesen Maßstäben hat die Beschwerde Erfolg.

1. Auszugehen ist mit dem Antragsteller zunächst davon, dass die Masse zur Finanzierung des Prozesses unzureichend ist. Nach seinen Angaben stehen auf dem Hinterlegungskonto lediglich 5.375 EUR zur Verfügung, während die Masseverbindlichkeiten derzeit 9.800 EUR betragen. Zur Insolvenztabelle sind Forderungen von mehr als 4,7 Mio. EUR angemeldet, von denen 2.553.105 EUR zur Tabelle festgestellt sind. Bei vollem Prozesserfolg einschließlich Zinsen würde sich ein Betrag von 122,9 T EUR ergeben. Abzüglich der damit entstehenden (erhöhten) Verwalterkosten und Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren verbleiben nach der Darlegung des Antragstellers rund 84,6 T EUR als zur Verteilung stehende Masse.

Für die Führung des Prozesses erster Instanz sind nach der zutreffenden Berechnung des Antragstellers insgesamt 7.573 EUR aufzuwenden.

2. Entgegen der Ansicht des Antragstellers und auch des LG ist - gemessen an den vorgenannten Maßstäben - den am Verfahren wirtschaftlich beteiligten Gläubigern die Finanzierung dieses Prozesses zuzumuten.

Der Senat vermag bereits im Ansatz der Auffassung nicht zu folgen, dass Gläubigern mit einem Anteil von weniger als 5 % oder auch nur 4 % der angemeldeten und anerkannten Forderungen von vornherein eine Teilnahme an der Prozessfinanzierung nicht zuzumuten sei. Diese - allerdings auch in der Literatur (vgl. etwa Zöller, ZPO, § 116 Rz. 11 m.w.N.) und teilweise auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Hamm 27 W 77/06 und 27 W 17/05) genannte Abgrenzung findet in der Rechtsprechung des BGH - soweit ersichtlich - keine Grundlage und ist auch sonst nicht generell gerechtfe...

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