Leitsatz (amtlich)
Einen Grundsatz, nach dem der Ertrag eines erfolgreich geführten Prozesses vorrangig zur Deckung der von der Staatskasse verauslagten Prozesskosten einzusetzen ist, gibt es nach derzeit geltendem Prozesskostenhilferecht nicht.
Normenkette
ZPO §§ 115, 120
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Aktenzeichen 5 O 269/05) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den am 9.2.2007 erlassenen Beschluss der Rechtspflegerin der 5. Zivilkammer des LG Lüneburg wird die angefochtene Entscheidung aufgehoben. Die Voraussetzungen für die Anordnung, dass die Beklagte die von ihr zu tragenden Gerichts- und Rechtsanwaltskosten aus ihrem Vermögen zu tragen hat, liegen nicht vor.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 9.2.2007 und diese Entscheidung bestätigender Nichtabhilfeentscheidung vom 21.5.2007 hat das LG gem. § 120 Abs. 4 ZPO die der Beklagten bewilligte Prozesskostenhilfe aufgehoben, nachdem die Beklagte aufgrund eines im Rechtsstreit abgeschlossenen Vergleichs zum Ausgleich für die Aufgabe ihres Wohnrechts und die Räumung und Herausgabe eine Zahlung von 55.000 EUR erhalten hat. Das LG hat de Auffassung vertreten, der von den Klägerinnen an die Beklagte gezahlte Betrag sei vornehmlich für die Begleichung der Prozesskosten einzusetzen. Aufgrund der Zahlung hätten sich die Vermögensverhältnisse der Beklagten derart geändert, dass sie in der Lage sei, die Prozesskosten selbst zu bestreiten. Soweit die Beklagte das Geld verwendet habe, um eine von ihr erworbene Wohnimmobilie zu finanzieren, spiele dies keine Rolle, da nach der Rechtsprechung eine primäre Pflicht gegeben sei, den aus der Prozessführung erhaltenen Betrag zunächst dafür zu verwenden, die Kosten der Prozessführung auszugleichen. Anders könne man die Situation allenfalls dann sehen, wenn das Vermögen dazu verwendet werde, in absehbarer Zeit angemessenen Wohnraum zu schaffen, um einen behinderten oder pflegebedürftigen Menschen unterzubringen. Diene die Beschaffung des Wohnraums nur dazu, dass man selbst wieder eine Wohnung habe, gelte der Grundsatz, dass ein aus der Prozessführung erlangter Betrag primär zum Bestreiten der Prozesskosten zu verwenden sei. Hiervon sei auch dann auszugehen, wenn er verwendet werde, um ein - im Übrigen bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe geschütztes - selbst genutztes Einfamilienhaus zu erwerben.
II. Die gegen diese Entscheidung gerichtete zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten hat Erfolg.
Die Ausführungen des LG, das bei seinem Beschluss eine Entscheidung des BGH vom 21.9.2005 (BGH v. 21.9.2006 - IX ZB 305/05, BGHReport 2006, 1559 = MDR 2007, 366 = NJW-RR 2007, 628 = BGH, ZIP 2006, 2055 = BGH, ZInsO 2006, 1165) nicht berücksichtigt hat, war aufzuheben, weil es einen Grundsatz, nach dem der Ertrag eines erfolgreichen Prozesses vorrangig zur Deckung der von der Staatskasse verauslagten Prozesskosten einzusetzen ist (in diesem Sinne etwa OLG Celle v. 8.9.2000 - 16 W 33/00, OLGReport Celle 2000, 335 = MDR 2001, 230; OLG Dresden v. 27.10.2003 - 12 U 1001/03, OLGReport Dresden 2004, 174 = ZIP 2004, 187; OLG Koblenz v. 29.6.2004 - 5 W 433/04, OLGReport Koblenz 2004, 670 = MDR 2005, 107), nicht gibt. Vielmehr setzt die Änderung eines Beschlusses über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe voraus, dass die früher bedürftige Partei aufgrund nachträglich eingetretener Umstände ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nach in der Lage ist, die Prozesskostenhilfe ganz, zum Teil oder in Raten aufzubringen (BGH v. 21.9.2006 - IX ZB 305/05, BGHReport 2006, 1559 = MDR 2007, 366 = NJW-RR 2007, 628).
Von einer derartigen Änderung der Verhältnisse ist dann auszugehen, wenn sich die Voraussetzungen entscheidend geändert haben, die Grundlage der Bewilligungsentscheidung gewesen sind und die Situation des Antragstellers sich nunmehr so darstellt, dass ihm Prozesskostenhilfe für einen neu zu beginnenden Prozess nicht mehr bewilligt werden dürfte, weil er in de Lage ist, die Kosten der Prozessführung aus seinem Vermögen aufzubringen. Allein der bloße Zufluss an Mitteln reicht demgegenüber nicht aus, um aufgrund eines - weder aus § 120 Abs. 4 ZPO noch aus § 115 Abs. 2 ZPO abzuleitenden - Grundsatzes davon auszugehen, dass der Hilfsbedürftige verpflichtet ist, die Erträge aus dem siegreich geführten Prozess primär dafür aufzubringen, die Prozesskosten zu bestreiten. Einen solchen Grundsatz, den die Rechtspflegerin bei ihrer Entscheidung unterstellt hat, gibt es nicht.
Zwar kann eine Entscheidung nach § 120 Abs. 4 ZPO dann getroffen werden, wenn die Partei in Kenntnis der Änderungsmöglichkeit ihr zur Verfügung stehendes Vermögen mutwillig wieder ausgegeben hat, um eine zeitweilig entfallene Leistungsunfähigkeit böswillig selbst wiederherzustellen (s. BGH v. 21.9.2006 - IX ZB 305/05, BGHReport 2006, 1559 = MDR 2007, 366 = NJW-RR 2007, 628). Abgesehen von diesem Ausnahmefall, der positiv festgestellt werden müsste, ist aber nach geltender Rechtslage nicht ohne weiteres eine Verpflichtung der Partei anzunehmen, d...