Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage, ob die Beschwerdefrist des § 117 Abs. 1 GWB dadurch in Lauf gesetzt wird, dass die Vergabekammer eine Beschlussabschrift "vorab" per Telefax übersendet.
2. Einem Bieter droht regelmäßig auch dann i.S.v. § 107 Abs. 2 S. 2 GWB ein Schaden durch eine Verletzung von Vergabevorschriften, wenn das eingeleitete Vergabeverfahren nicht ohne weiteres durch Zuschlag beendet werden darf und zur Bedarfsdeckung eine Neuausschreibung in Betracht kommt.
3. Zur Zulässigkeit eines Verhandlungsverfahrens nach § 3a Nr. 1 Abs. 5 lit. b VOL/A.
Normenkette
GWB § 107 Abs. 2, § 117 Abs. 1, § 118 Abs. 1, § 124 Abs. 2; VOL/A § 3a Nr. 1
Tenor
Die Sache wird dem BGH zur Entscheidung vorgelegt (§ 124 Abs. 2 S. 1 GWB).
Gründe
I. Die Antragstellerin vertreibt medizinische Produkte aus unterschiedlichen optischen Bereichen. Die Antragsgegnerin ist Betreiberin des Städtischen Klinikums L. Unter dem 23.7.2008 schrieb die Antragsgegnerin die Neubeschaffung von Endoskopiesystemen für Diagnose und Therapie im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb europaweit aus. Ein bereits vorangegangenes offenes Verfahren hatte sie im Hinblick auf Rügen und ein Nachprüfungsverfahren aufgehoben.
Bereits während der Frist zur Teilnahme am Wettbewerb rügte die Antragstellerin verschiedene Punkte der Ausschreibung. Sie bemängelte insbesondere die Absicht der Antragsgegnerin, den Auftrag im Verhandlungsverfahren zu vergeben.
Die Antragsgegnerin half den Rügen im Wesentlichen nicht ab, sondern informierte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 16.12.2008 gem. § 13 VgV, dass die Beigeladene die höchste Punktzahl erhalten habe und ihr der Zuschlag erteilt werden solle. Daraufhin leitete die Antragstellerin das Nachprüfungsverfahren ein.
Die Antragsgegnerin macht geltend, sie habe nicht von vorneherein festlegen können, welche Systemkomponenten die Leistung beinhalten solle, ohne ein Unternehmen zu diskriminieren. Insoweit sei es nicht möglich gewesen, eine feste, unveränderbare Leistungsbeschreibung zu erstellen, die eine vergleichende Wertung der Angebote im Rahmen eines offenen Verfahrens ermöglicht hätte. Sie habe sich daher für ein Verhandlungsverfahren entschieden.
Die Vergabekammer hat in dem angefochtenen Beschluss festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt sei, soweit die Antragsgegnerin bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes auch das von der Beigeladenen angebotene Skonto berücksichtigt hat. Im Übrigen hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Insbesondere sei die Antragstellerin durch die Wahl des Verhandlungsverfahrens nicht in ihren Rechten verletzt.
Gegen diese Zurückweisung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie rügt weiterhin die Unzulässigkeit eines Verhandlungsverfahrens und hält auch ihre weiteren Rügen aufrecht, soweit die Vergabekammer ihnen nicht stattgegeben hat. Sie macht in erster Linie geltend, dass das Verfahren aufgehoben werden müsse.
Der Senat hat mit Beschluss vom 8.4.2009 die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin antragsgemäß verlängert (Bl. 79 f. d.A.).
Die Antragsgegnerin hat mit Schreiben vom 7.4.2009 den Zuschlag an die Beigeladene erteilt. Sie ist der Ansicht, für den Fristbeginn sei die am 9.3.2009 erfolgte Faxübermittlung der Vergabekammer maßgebend und nicht die nachfolgende Zustellung vom 11.3.2009. Die Antragstellerin stellt hilfsweise für den Fall, dass der Senat dem folgen solle, einen Fortsetzungsfeststellungsantrag gem. § 114 Abs. 2 S. 2 GWB.
II. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach Auffassung des Senats auch erfolgversprechend, weil der Nachprüfungsantrag zulässig (1.) und in seinem Hauptantrag auch begründet ist (2.). Der Senat kann allerdings nicht entscheiden, ohne von dem Beschluss des OLG Koblenz v. 4.2.2009 - 1 Verg 4/08 - abzuweichen (3.). Er legt deshalb die Sache gem. § 124 Abs. 2 GWB dem BGH vor.
Am 21.4.2009 ist das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts in Kraft getreten. Nach dem durch dieses Gesetz neu angefügten § 131 Abs. 8 GWB ist für das vorliegende Verfahren das GWB in der bis zum 20.4.2009 geltenden Fassung maßgeblich.
1. Der in der Hauptsache gestellte Nachprüfungsantrag ist zulässig
a) Das Nachprüfungsverfahren nicht durch den der Beigeladenen erteilten Zuschlag erledigt. Dieser Zuschlag ist gem. § 134 BGB i.V.m. § 115 Abs. 1 GWB nichtig. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin durch den Beschluss des Senats vom 8.4.2009 bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde verlängert worden (§ 118 Abs. 1 Satz 3 GWB).
Zu Unrecht meint die Antragsgegnerin, die Beschwerdefrist sei schon durch die Übersendung der angegriffenen Entscheidung per Telefax am 9.3.2009 in Lauf gesetzt worden, weshalb die aufschiebende Wirkung der Beschwerde bereits zum Zeitpunkt des Zuschlags und vor Erlass des Senatsbeschlusses vom 8.4.2009 beendet gewesen sei. Zwar kann eine Zustellung ...