Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Vollstreckung aus einem Unterlassungsurteil, das gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist, ohne vorherige Erbringung der Sicherheit durch den Gläubiger
Normenkette
ZPO § 890
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Beschluss vom 14.10.2011) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers wird der Beschluss der 11. Zivilkammer (2. Kammer für Handelssachen) des LG Lüneburg vom 14.10.2011 teilweise geändert:
Auf den Antrag des Gläubigers vom 18.1.2010 wird gem. § 890 Abs. 1 ZPO gegen jeden der Schuldner ein Ordnungsgeld von jeweils 50.000 EUR festgesetzt, ersatzweise für den Fall, dass diese nicht beigetrieben werden können, jeweils für je 1.000 EUR ein Tag Ordnungshaft, hinsichtlich der Schuldnerin zu 1) zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer.
Das Ordnungsgeld ist bis zum 1.2.2012 an die Gerichtskasse zu zahlen.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde des Gläubigers zurückgewiesen.
Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Gläubigerin tragen diese selbst und jeder der Schuldner ein Drittel. Von den außergerichtlichen Kosten der Schuldner tragen diese selbst jeweils zwei Drittel und die Gläubigerin ein Drittel.
Der Wert des Verfahrens wird für beide Instanzen - abändernd für die I. Instanz - auf bis zu 15.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die gem. §§ 793, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch ansonsten zulässige sofortige Beschwerde hat im Hinblick auf den Bestrafungsantrag vom 18.1.2010 Erfolg, im Übrigen (Bestrafungsantrag vom 19.11.2009) ist sie unbegründet. Über den Bestrafungsantrag vom 22.4.2010 muss das LG noch entscheiden.
Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen, so ist er gem. § 890 Abs. 1 S. 1 ZPO wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers zu einem Ordnungsgeld von bis zu 250.000 EUR zu verurteilen. Beide Schuldner haben die den Bestrafungsanträgen zugrunde gelegten Verstöße begangen. Allerdings ist der mit dem Antrag vom 19.11.2009 verfolgte Verstoß verjährt.
1. Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung für die Verhängung eines Ordnungsgeldes aufgrund von Zuwiderhandlungen liegen vor. Insbesondere war der zugrunde liegende Titel auch zur Zeit der Zuwiderhandlungen durch die Schuldner vollstreckbar.
Allerdings kann aus einem Unterlassungsurteil, das gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist, bis zur Erbringung der Sicherheit durch den Gläubiger nicht vollstreckt werden. Verstöße gegen das in dem Urteil ausgesprochene Unterlassungsgebot können dem Schuldner vor Leistung der Sicherheit nicht als Zuwiderhandlungen i.S.v. § 890 Abs. 1 S. 1 ZPO angelastet werden (BGH, Urt. v. 30.11.1995 - IX ZR 115/94, zit. nach juris, Tz. 7; OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.3.2010 - 2 U 142/08, zit. nach juris, Tz. 70; OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 2003, 176,177).
Dadurch, dass der Senat mit Urteil vom 1.10.2009 die Unterlassungsverpflichtung der Schuldner bestätigt hatte, wurde das Urteil erster Instanz ebenfalls ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 708 Rz. 12). Da mit der Verkündung des Senatsurteils ein ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbarer Titel vorlag, mussten sich die Schuldner ab diesem Zeitpunkt und nicht erst ab Zustellung des Urteils an das Unterlassungsgebot halten. Zwangsmittel hatte bereits das LG angedroht. Das reicht für die gesamte Zwangsvollstreckung aus. Die Ordnungsmittelandrohung selbst wird auch mit der Zustellung eines nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbaren Urteils wirksam. Die fehlende Sicherheitsleistung führt nur dazu, dass der Unterlassungsverpflichtete dem gerichtlichen Verbot sanktionslos zuwiderhandeln kann, solange es - wegen der nicht erbrachten Sicherheitsleistung - an der Vollstreckbarkeit fehlt (OLG Hamburg, NJR-RR 1986, 1501; OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 2003, 176,177).
Die Schuldner davon zu unterrichten, dass nunmehr vollstreckt werden würde, oder ihnen gar das Senatsurteil mit Vollstreckungsklausel zuzustellen, war nicht notwendig. Ist das Erfordernis der Sicherheitsleistung entfallen und das Urteil nunmehr ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar, kann für den Schuldner kein Zweifel mehr daran bestehen, dass er von nun ab ohne weiteres mit der Verhängung von Ordnungsmitteln rechnen muss, wenn er sich nicht an das Unterlassungsgebot hält (vgl. OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 2003, 176, 177 f.). Auf die Rechtskraft des Senatsurteils vom 1.10.2009 kommt es nicht an. Eine mögliche Schadensersatzverpflichtung gem. § 717 Abs. 2 S. 1 ZPO aufgrund eines abändernden Urteils liegt in der Risikosphäre des Gläubigers und hindert nicht die vorläufige Vollstreckbarkeit.
2. Die Schuldner haben unstreitig nach Verkündung des Senatsurteils vom 1.10.2009 gegen das titulierte Unterlassungsgebot verstoßen.
Durch das Urteil des Senats ist den Schuldnern untersagt worden, im Wettbewerb handelnd für das Lebensmittel "A.-V. " mit folgender Angabe zu werben: "Ein Teilnehmer hat sogar in nu...