Leitsatz (amtlich)

Zur Sittenwidrigkeit von Darlehensverträgen, insb. solchen, die dem Kauf von Aktien dienen.

 

Normenkette

BGB § 138

 

Verfahrensgang

LG Verden (Aller) (Urteil vom 28.04.2005; Aktenzeichen 4 O 493/04)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.4.2005 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Verden wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht einstimmig. Sie ist unanfechtbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht eine Darlehensforderung geltend.

Im Juni 1999 eröffnete die Beklagte bei der Klägerin ein Konto als sog. Börsenkonto, unterzeichnete einen Depoteröffnungsvertrag und nahm an S-Börsedirekt teil.

Im Dezember 2000 schlossen die Beklagte und ihr Ehemann mit der Klägerin einen Darlehensvertrag über 100.000 DM. Das Darlehen diente der teilweisen Ablösung des Saldos auf dem im Juni 1999 eröffneten Konto der Beklagten. Zur Sicherung des Kredits verpfändete die Beklagte ihr Wertpapierdepot an die Klägerin.

Nach Kündigung der Geschäftsbeziehung durch die Klägerin ggü. der Beklagten und ihrem Ehemann fordert sie nunmehr insgesamt 66.616,75 EUR nebst Zinsen.

Das LG hat der Klage stattgegeben. Der Vortrag der Beklagten zur Saldenhöhe und zur Vorfälligkeitsentschädigung sei verspätet und nicht mehr zuzulassen. Der abgeschlossene Darlehensvertrag sei wirksam. Eigene Pflichten habe die Klägerin nicht verletzt.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Es sei seitens der Klägerin unverantwortlich gewesen, der Beklagten in Anbetracht der wirtschaftlichen Notlage des Ehemannes das streitgegenständliche Darlehen zu gewähren. Eine Beratung und Aufklärung der Klägerin über die mit der Kreditvergabe verbundenen Risiken sei nicht erfolgt. Es hätte eine Belehrung über die Gefahr des Totalverlustes des Darlehens erfolgen müssen. Das Darlehen habe auch eine krasse finanzielle Überforderung der Beklagten dargestellt. Der Beklagten stehe daher eine Gegenforderung gegen die Klägerin zu. Ansprüche bestünden weiter aus positiver Vertragsverletzung eines Vermögensverwaltungsvertrages.

Der Senat hat mit Beschl. v. 29.8.2005 gem. § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO aus den dort dargelegten Gründen auf die beabsichtigte Zurückverweisung der Berufung hingewiesen.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 24.10.2005 zu dem genannten Beschluss Stellung genommen und unter Hinweis auf BGH v. 16.3.1989 - III ZR 37/88, MDR 1989, 613 = WM 1989, 595, die Auffassung vertreten, dass auf Grund der Gesamtumstände die finanzielle Überforderung der Beklagten zur Nichtigkeit des Darlehensvertrages geführt habe.

II. Es liegen weiterhin die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO vor; der Schriftsatz der Beklagten vom 24.10.2005 gibt dem Senat keinen Anlass, anders als im Hinweisbeschluss des Senats angekündigt zu entscheiden.

1. Aus dem von der Beklagten in Bezug genommenen Urteil des BGH vom 16.3.1989 (BGH v. 16.3.1989 - III ZR 37/88, MDR 1989, 613 = WM 1989, 595) ergibt sich als Grundsatz, dass ein (Konsumentenraten-)Kreditvertrag gerade nicht allein deswegen nichtig ist, weil der Darlehensnehmer die übernommenen Verpflichtungen voraussichtlich nicht oder allenfalls unter Einsatz seines gesamten pfändbaren Arbeitseinkommens erfüllen kann. Auch im dortigen Fall ist der BGH gerade nicht davon ausgegangen, dass das Fehlen ausreichender finanzieller Leistungsfähigkeit zur Sittenwidrigkeit des Kreditvertrages führt. Dass der BGH ausgeführt hat, dass im Einzelfall die finanzielle Leistungsfähigkeit eines Vertragspartners im Rahmen der Gesamtwürdigung nach § 138 Abs. 1 BGB, also im Zusammenwirken mit anderen Geschäftsumständen, von Bedeutung sein könne, ist vor dem Hintergrund der Rechtsprechung zum Konsumentenratenkredit zu sehen. Wenn ein Vertrag mit ohnehin übermäßig drückenden Bedingungen für den Fall des Kreditnehmerverzugs noch eine weitere unbillige Steigerung der Belastungen vorsehe, könne der Umstand, dass der Verzugseintritt auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers nahe liege und wahrscheinlich sei, entscheidend dazu beizutragen, den Vertrag nach § 138 Abs. 1 BGB als sittenwidrig erscheinen zu lassen (vgl. BGH v. 16.3.1989 - III ZR 37/88, MDR 1989, 613 = WM 1989, 595 unter II. 3. a).

Der III. Zivilsenat des BGH hat in der oben genannten Entscheidung zwar nicht ausgeschlossen, dass § 138 Abs. 1 BGB bei von vornherein gegebener hoffnungsloser finanzieller Überforderung des Darlehensnehmers anzuwenden sein könnte, wenn diese nur der kreditgebenden Bank, nicht aber dem völlig unerfahrenen Kreditnehmer bewusst sei, hat aber insoweit die Grenzen für eine nur ausnahmsweise anzunehmende Sittenwidrigkeit hoch angesetzt. Die Sittenwidrigkeit sei in Betracht zu ziehen, wenn der Kreditnehmer, etwa weil er, gerade volljährig geworden, noch völlig unerfahren sei. Im konkreten Fall hat der BGH aber ausgesprochen, dass die Bank habe davon ausgehen dürfen, dass die damals fast 25 Jahre alte und als kaufmännische Angestellte tätige Kreditnehmerin die Kreditverpflichtungen durchaus überschaut habe. Dass vorliegend die Beklagte in ...

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