Entscheidungsstichwort (Thema)
Internationale Zuständigkeit bei grenzüberschreitender Verschmelzung; Rückzahlungsverlangen wegen einer ursprünglich als Genussrechtsbeteiligung ausgestalteten Anlage
Leitsatz (amtlich)
Zur internationalen Zuständigkeit bei grenzüberschreitender Verschmelzung einer Gesellschaft, an der sich ein Verbraucher mit dem Zweck der Kapitalanlage in Genussrechtsbeteiligungen an einer in Österreich ansässigen Kapitalgesellschaft beteiligt hatte.
Zur Darlegungslast der Gesellschaft hinsichtlich des Werts der Genussrechtsbeteiligungen in Abweichung zum, dem Anleger mitgeteilten Wert seiner Beteiligung.
Normenkette
EGV 44/2001 Art. 17
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 17.07.2020; Aktenzeichen 2 O 259/19) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 17. Juli 2020 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Verden wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO einstimmig zurückgewiesen.
Das landgerichtliche Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückzahlung wegen zweier Genussrechtsbeteiligungen in Anspruch, welche er an der Rechtsvorgängerin der Beklagten, einer österreichischen Aktiengesellschaft, erworben hatte (Anl. K 1, Bl. 16 f. d. A.) und hinsichtlich derer er am 7. März 2019 die außerordentliche Kündigung erklärt hat (Anl. K 5, Bl. 27 f. d. A.).
Das Landgericht hat - unter Bejahung seiner internationalen und örtlichen Zuständigkeit sowie einer wirksamen Klageerhebung - der Klage stattgegeben. Es hat gemeint, die Beteiligung des Klägers an dem Fonds ... (im Folgenden: Fonds 1...) sei bereits durch die ordentliche Kündigung des Klägers vom 20. Dezember 2012 (Anl. K 1a, Bl. 14 d. A.) zum Ende des Jahres 2017 beendet worden. Durch die von der Beklagten vorformulierte Rücknahme der Kündigungserklärung (Anl. K 1b, Bl. 15 d. A.) habe die Beteiligung nicht wieder aufleben können. Die Anspruchshöhe ergebe sich aus dem von der Rechtsvorgängerin der Beklagten mitgeteilten Wert der Genussrechte, zumal die Beklagte keinen nachvollziehbaren Vortrag zu einem etwa niedrigeren Wert gehalten habe.
Hinsichtlich der weiteren Beteiligung des Klägers an dem Fonds ... (im Folgenden: Fonds 2...) sei wegen der unwirksamen Rechtswahlklausel in den Genussrechtsbedingungen (Bl. 173 ff. d. A.) deutsches Recht anwendbar. Weil die Genussrechte des Klägers infolge der grenzüberschreitenden Verschmelzung der Rechtsvorgängerin der Beklagten auf die Beklagte als eine im Vereinigten Königreich ansässige Limited Company nicht fortbestünden, sei die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt gewesen und von einer Unmöglichkeit der dem Kläger zustehenden Leistung auf Rückzahlung der Genussrechtseinlagen auszugehen, wegen der die Beklagte nunmehr Schadensersatz zu leisten habe. Hinsichtlich der Anspruchshöhe gelte Entsprechendes wie zum Fonds 1...
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihr erstinstanzliches Prozessziel vollständiger Klagabweisung wegen beider Beteiligungen weiterverfolgt. Sie macht geltend, entgegen der Auffassung des Landgerichts führe die Gerichtsstandsvereinbarung in den Genussrechtsbedingungen dazu, dass das Landgericht für die gegen die im Vereinigten Königreich ansässige Beklagte erhobene Klage international nicht zuständig sei. Zudem sei die in deutscher Sprache verfasste Klage auch nicht wirksam zugestellt.
In der Sache sei entgegen der Auffassung des Landgerichts davon auszugehen, dass dem Kläger aus der Beendigung seiner Beteiligung schon deswegen keine Ansprüche zustünden, weil er die ordentliche Kündigung wirksam zurückgenommen habe. Ein tragfähiger Grund für eine außerordentliche Kündigung habe nicht vorgelegen, insbesondere stelle die Verschmelzung der Rechtsvorgängerin der Beklagten und der damit verbundene Untergang der Genussrechte keinen solchen dar. Dem Kläger als Anleger seien nämlich anstelle der Genussrechte sog. B-Anteile gewährt worden, die ihm gleichwertige Rechte am Kapital der Beklagten einräumten, wie er sie zuvor infolge der Genussrechte an der Rechtsvorgängerin gehabt habe. Ohnehin seien die Genussrechte zu den Zeitpunkten der Wirkungen der Kündigungserklärungen des Klägers wertlos gewesen, weil nach dem Jahresabschluss der Rechtsvorgängerin der Beklagten das Genussrechtskapital zum Stichtag 31. Dezember 2017 (Anl. BK 1, Bl. 252 ff. d. A.) einen Buchwert von 0,00 EUR gehabt habe.
Der Senat hat mit Beschluss vom 30. November 2020 (Bl. 256 ff. d. A.) auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hingewiesen.
Daraufhin hat die Beklagte die Zuständigkeit des erkennenden Senats mit der Begründung in Abrede genommen, es handele sich vorliegend nicht um...