Entscheidungsstichwort (Thema)
Beendigung der gemeinsamen elterlichen Sorge und Auswahl des mit der Alleinsorge zu betrauenden Elternteils; Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den Vater des nichtehelichen Kindes
Leitsatz (amtlich)
1. Die gemeinsame elterliche Sorge ist ungeachtet des Bestehens eines gesetzlichen Leitbildes zur gemeinsamen Ausübung dann allein einem Elternteil zu übertragen, wenn die Eltern trotz erheblicher ernsthafter Bemühungen (hier: Zwischenvereinbarung vor dem Senat, Inanspruchnahme von Einzel- und Paarberatungen, intensive Elterngespräche unter Einschaltung des Jugendamtes sowie im Rahmen eines Güterichterverfahrens) nicht in der Lage sind, ihre tiefgreifenden Konflikte soweit beizulegen, dass eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge ohne Kindeswohlbeeinträchtigung möglich erscheint (Abgrenzung zu Senatsbeschluss vom 16.1.2014, 10 UF 80/13, FamRZ 2014, 857 f. = NJW 2014, 1309 ff. = NdsRPfl 2014, 123 ff. = NZFam 2014, 376 ff. = JAmt 2014, 281 f. = ZKJ 2014, 206 ff. = BeckRS 2014, 02760).
2. Bei der zu treffenden Auswahl des mit der elterlichen Sorge allein zu betrauenden Elternteils gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB kann es von ausschlaggebender Bedeutung sein, wenn ein Elternteil Medienveröffentlichungen veranlasst, die durch Namensnennung und Bildveröffentlichung eine weitere erhebliche Belastung des Kindes zur Folge haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn Medienvertreter zu Gesprächen des Verfahrensbevollmächtigten des Elternteils mit dem betroffenen Kind hinzugezogen werden und ihnen dabei auch die Anfertigung von Aufnahmen ermöglicht wird, obwohl dem Elternteil zu diesem Zeitpunkt die gesamte elterliche Sorge entzogen ist und er sich der rechtlichen Konsequenzen daraus bewusst ist.
Normenkette
BGB § 1671 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
AG Hannover (Beschluss vom 31.03.2014; Aktenzeichen 619 F 1155/14) |
Tenor
Auf die Beschwerden der Kindeseltern wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Hannover vom 31.3.2014 geändert.
Die elterliche Sorge für N. S., geboren am 12.2.2002, wird insgesamt dem Kindesvater übertragen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Kindesmutter auferlegt.
Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren: 10.000 EUR.
Gründe
I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin, die nicht verheiratet sind oder waren, sind die Eltern des am 12.2.2002 geborenen Kindes N. S.. Nach der Trennung der Kindeseltern kam es zu diversen Verfahren vor dem AG Hannover, die sowohl den Umgang eines Elternteils mit dem Kind als auch sorgerechtliche Inhalte aufwiesen. Insoweit nimmt der Senat auf die Verfahrensakten des AG Hannover 619 F 6288/12, 619 F 641/14 und 619 F 2319/14 Bezug, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und der Erörterung im Rahmen der Anhörung mit den Beteiligten gewesen sind. Zur Darstellung des sich aus diesen Akten ergebenden wesentlichen Sachverhalts verweist der Senat wiederum auf die Darstellung in den Gründen der angefochtenen Entscheidung des AG Hannover vom 31.5.2014 (Bl. 34/35 d.A.).
Im April 2014 eskalierte der Streit der Eltern um N., was wiederum zur Einleitung des vorliegenden Verfahrens geführt hat. Das Jugendamt L. hat dem AG hierzu mitgeteilt (Bl. 18 d.A.):
"Der Konflikt zwischen den Eltern sei wieder eskaliert. Frau S. habe N. nach Ostern bei sich behalten und angegeben, dass der Junge auf keinen Fall zurück zum Vater wolle. Es habe ein Gespräch zwischen den Eltern, dem Verfahrensbeistand Herrn K., Frau B. und ihm gegeben. Eine Einigung sei nicht erzielt worden. Herr K. habe danach noch ein weiteres Gespräch mit den Eltern und N. gemeinsam geführt. Dabei sei ein offener Streit zwischen den Eltern vor dem Jungen ausgebrochen. N. habe sich geweigert zum Vater zurückzugehen."
Das AG hat im Anschluss daran sowohl die Eltern als auch N. persönlich angehört. Zum Inhalt der Anhörung verweist der Senat auf die Protokolle vom 13.5.2014 (Anhörung N., Bl. 32 d.A.) und vom 14.5.2014 (Anhörung der Beteiligten, Bl. 30/31 d.A.). Eine Elterneinigung ließ sich im Rahmen der Anhörung nicht erzielen, vielmehr haben die Kindeseltern jeweils beantragt, ihnen das Aufenthaltsbestimmungsrecht für N. allein zu übertragen.
Das AG hat sodann mit seinem Beschluss vom 31.5.2014 die wechselseitig gestellten Anträge der Kindeseltern zurückgewiesen und ihnen die elterliche Sorge für N. entzogen. Das Jugendamt L. ist zum Vormund bestellt worden.
Das AG hat seine Entscheidung auf §§ 1666, 1666a, 1671 Abs. 3 BGB gestützt und zur Begründung ausgeführt, dass die Entziehung des Sorgerechts zur Abwendung einer vorliegenden Kindeswohlgefährdung zwingend erforderlich sei. Eine solche Gefährdung des seelischen Wohles lasse sich durch immer stärkere Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsverzögerungen erkennen. Wegen der Einzelheiten der Ausführungen hierzu verweist der Senat auf die angefochtene Entscheidung (Bl. 36-38 d.A.).
Hervorzuheben bleibt, dass das AG als Grund für eine innere Zerrissenheit des Kindes festgestellt hat, dass es sowohl der Kindesmutter als auch dem Kind...