Leitsatz (amtlich)
Der in einer Privat- und Verkehrsrechtsschutzversicherung vereinbarte Risikoausschluss für "sonstige selbständige Tätigkeit" greift nicht ein, wenn diese in den Bereich der Verwaltung privaten Vermögens fällt und in der primären Risikobeschreibung ausdrücklich Versicherungsschutz für den privaten Bereich gewährt wird. Für den verständigen Versicherungsnehmer ist daraus nicht zu entnehmen, dass durch die Formulierung Versicherungsschutz aus dem privaten Bereich, nämlich der privaten Vermögensverwaltung, herausgelöst werden soll, weil "Selbständige Tätigkeit" kein fest umrissener Begriff in der Rechtssprache ist.
Der Betrieb einer Photovoltaikanlage gehört trotz überwiegender Fremdfinanzierung jedenfalls dann zur privaten Vermögensverwaltung, wenn die notwendigen oder nützlichen Geschäfte keinen planmäßigen Geschäftsbetrieb erfordern und die die Höhe der Einnahmen nicht darauf schließen lässt, der Betreiber verschaffe sich damit eine einkommensersetzende, berufsmäßige Einnahmequelle.
Normenkette
VVG § 1 Abs. 1; ARB 1994 § 25; ARB 2000 § 25
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 09.06.2010; Aktenzeichen 8 O 33/10) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 9.6.2010 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Verden wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Freistellung von Kosten der Rechtsverfolgung gegen eine Firma B. in Anspruch.
Die Parteien schlossen im Oktober 2008 einen Rechtsschutzversicherungsvertrag über "Privat- und Verkehrsrechtsschutz für Nichtselbständige ohne Arbeitsrechtsschutz" (Versicherungsschein Nr. 22034320569540, Anlage K 1, Bl. 9 f. d.A.), welchem die Versicherungsbedingungen der Beklagten, RSB 01/2008 (Anlage B 1, Bl. 28 ff. d.A.), zugrunde lagen. Ziff. 26.1 dieser Bedingungen lautet (Bl. 40, 41 d.A.):
"Versicherungsschutz besteht für den privaten und beruflichen Bereich des Versicherungsnehmers und seines ehelichen/eingetragenen oder laut Melderegister in häuslicher Gemeinschaft mit ihm wohnenden sonstigen Lebenspartners im Sinne der Ziff. 3.4.2 RSB, wenn diese keine gewerbliche, freiberufliche oder sonstige selbständige Tätigkeit mit einem Gesamtumsatz von mehr als 10.000 EUR - bezogen auf das letzte Kalenderjahr - ausüben. Kein Versicherungsschutz besteht unabhängig von der Umsatzhöhe für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit einer der vorgenannten selbständigen Tätigkeiten."
Im März/Mai 2009 erwarb der Kläger von der Firma B. eine Photovoltaikanlage, bestehend aus 1197 Modulen der Firma F. S. nebst Zubehör, mit einer Nennleistung von 86,782 kWp. Die Modulfläche beträgt insgesamt 862 qm, welche der Kläger auf einer eigens zu diesem Zweck angemieteten Dachfläche einer Geflügelhalle von insgesamt 950 qm montieren ließ. Für die Dachfläche zahlt er einen variablen Mietzins i.H.v. 5 % des erwirtschafteten Ertrags der Anlage. Der Kaufpreis der Anlage betrug insgesamt ca. 242.984 EUR. Diesen finanzierte der Kläger teilweise durch Darlehen, wobei im Rahmen der Projektfinanzierung der Fremdkapitalanteil so berechnet wurde, dass zum einen die Tilgung sowie die Zinsbelastung aus dem voraussichtlichen Ertrag der Anlage bedient werden konnten und zum anderen die Eigenkapitalverzinsung durch bestimmte betriebswirtschaftliche Effekte erhöht werden sollte. Der Fremdkapitalanteil ist so bemessen, dass er vor Ende der geförderten Laufzeit vollständig getilgt sein wird. Der Kläger erwartet einen jährlichen Umsatz i.H.v. ca. 29.700 EUR. Neben dieser Anlage betreibt er zwei weitere kleine Photovoltaikanlagen (7,2 und 9,4 kWp). Er verfügt über Einnahmen aus unselbständiger Tätigkeit und darüber hinaus über Mieteinnahmen. Einzige Geschäftshandlung zum Betreiben der Photovoltaikanlage ist das jährliche Ablesen des Zählers, welches zumeist vom Stromversorger vorgenommen wird. Es besteht eine Abnahmepflicht des Energieversorgers, wobei das Entgelt gesetzlich bestimmt ist. Regelmäßige Reparaturarbeiten sind nicht erforderlich, weshalb das Betreiben der Anlage keinen planmäßigen Geschäftsbetrieb erfordert. Die vom Kläger erworbene Anlage ist teilweise mangelhaft, weil einzelne Module beschädigt bzw. fehlerhaft montiert wurden. Der Kläger hat einen Betrag von 36.000 EUR der Rechnungssumme einbehalten und verfolgt seine Gewährleistungsansprüche gegen die Firma B.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, es handele sich um einen bedingungsgemäßen Versicherungsfall, weil die Anschaffung und der Betrieb der Photovoltaikanlage allein dem Privatbereich als Verwaltung eigenen Vermögens unterfiele. Sie stelle keine gewerbliche Tätigkeit dar und deshalb auch keine "sonstige selbständige Tätigkeit" im Sinne der Ziff. 26.1 RSB 01/2008.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den Kosten der Rechtsverfolgung freizustellen, die dem Kläger für die Wahrnehmung seiner...