Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässiges Teilurteil bei Möglichkeit widersprüchlicher Entscheidungen
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 06.11.2003; Aktenzeichen 4 O 459/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das am 6.11.2003 verkündete Teilurteil der 4. Zivilkammer des LG Verden aufgehoben und der Rechtsstreit, soweit das LG ihn durch Teilurteil entschieden hatte, zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das LG Verden zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung ist insoweit begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zurückzuverweisen war. Das LG hat den Feststellungsantrag der Kläger zu Unrecht als unzulässig abgewiesen (§ 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO) und hätte über den von der Beklagten mit der Widerklage geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von 6.774,61 Euro nebst Zinsen nicht durch Teilurteil entscheiden dürfen (§ 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 ZPO).
1. Der Antragt der Kläger auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen verspäteter Übergabe des Hausgrundstücks hätte nicht als unzulässig abgewiesen werden dürfen. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung bestand das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse der Kläger an der Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses, weil die Übergabe des Hauses erst im weiteren Verlauf des Rechtsstreits erfolgt ist und jedenfalls vor diesem Zeitpunkt den Klägern eine Bezifferung des entstandenen Schadens nicht möglich war. Nach zulässig erhobener Feststellungsklage ist die beklagte Partei aber grundsätzlich nicht verpflichtet, im Prozess zur Leistungsklage überzugehen (vgl. BGH LM Nr. 92 zu § 256 ZPO; OLG Koblenz v. 30.1.1992 – 5 U 228/91, WM 1993, 1241; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., § 256 Rz. 83; Thomas/Putzo/Reichhold, ZPO, 24. Aufl., § 256 Rz. 20 a.E.). Eine nachträgliche Bezifferung des Anspruchs verlangt die Rechtsprechung vom Kläger nur in Ausnahmefällen, namentlich wenn die Schadensentwicklung bereits im ersten Rechtszug abgeschlossen ist, der Beklagte den Übergang anregt und damit keine Verzögerung verbunden ist (vgl. BGH LM Nr. 5 zu § 256 ZPO). Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor.
Auf den Antrag der Kläger war daher die Entscheidung des LG über das Feststellungsbegehren gem. § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO aufzuheben und die Sache an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen, weil der Senat in der Sache selbst noch nicht entscheiden kann. Ein Schadensersatzanspruch der Kläger wegen verspäteter Fertigstellung und Übergabe des Objekts setzt nach § 636 Abs. 1 S. 3 i.V.m. §§ 284, 286 BGB a.F. voraus, dass eine von der Beklagten zu vertretende Verzögerung der Übergabe festgestellt werden könnte. Die Beklagte hat zwar den in Punkt 25 der Anlage 1 zum notariellen Vertrag vom 21.12.2001 genannten Fertigstellungstermin (31.5.2002) nicht eingehalten. Umstritten ist zwischen den Parteien aber schon, ob die Beklagte das zu vertreten hat. Jedenfalls läge kein Verzug der Beklagten vor, wenn sie ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Zahlungsansprüche aus den von ihr behaupteten Zusatzaufträgen der Kläger („Sonderwünsche”) hatte. In Abschn. II. § 8 des notariellen Vertrages ist vorgesehen, dass eine Übergabepflicht der Beklagten erst nach Zahlung der Kosten für ausgeführte Sonderwünsche bestehen sollte. Ob die Übergaberegelung des Vertrages wirksam vereinbart ist, ist zwischen den Parteien ebenso streitig wie die Berechtigung der von der Beklagten über Sonderwünsche der Kläger erstellten Rechnung vom 22.8.2002 über 11.102,93 Euro. Das LG hat zu dem zuletzt genannten Punkt zwar bereits Beweis erhoben, jedoch noch nicht abschließend entschieden. Insbesondere steht noch die Beweiserhebung hinsichtlich der von den Klägern insoweit zur (Hilfs-)Aufrechnung gestellten Gegenansprüche aus.
2. Auch das vom LG erlassene Teilurteil über den von der Beklagten im Wege der Widerklage geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von 6.774,61 Euro nebst Zinsen (letzte Rate i.H.v. 5 % des im notariellen Vertrag vereinbarten Kaufpreises) hätte nicht ergehen dürfen. Es ist gem. § 301 ZPO unzulässig, weil der entschiedene Teil nicht unabhängig vom restlichen Streitstoff ist. Ein Teilurteil darf nicht erlassen werden, wenn die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen, auch infolge einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht, besteht (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 23.11.2003 – VI ZR 8/03 m.w.N.; OLG Celle v. 21.3.2002 – 22 U 148/01, OLGReport Celle 2002, 124). Dabei kommt es nicht darauf an, mit welchem Wahrscheinlichkeitsgrad die Gefahr widersprechender Entscheidungselemente besteht; es genügt vielmehr die bloße Möglichkeit eines solchen Widerspruchs (BGH, Urt. v. 23.11.2003 – VI ZR 8/03 m.w.N.; OLG Karlsruhe v. 3.5.2000 – 13 U 132/99, OLGReport Karlsruhe 2000, 278).
Im vorliegenden Fall besteht die Gefahr einander widersprechender rechtskräftiger Entscheidungen über die von den Klägern zur Au...