Verfahrensgang

LG Stade (Aktenzeichen 2 O 382/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 6. Dezember 2017 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stade teilweise geändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin gegen das vorgenannte Urteil wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 22. Oktober 2012 als Pflegekasse der dabei verletzten N. H., geboren am ... 2001, Schadensersatzansprüche aus übergegangenem Recht geltend.

Das Unfallgeschehen ereignete sich im Kreuzungsbereich der B ... mit der T. Straße in C. Der am 22. März 2016 (vor Klageerhebung) verstorbene ursprüngliche Beklagte zu 1 befuhr zum Unfallzeitpunkt die B ... in Fahrtrichtung H. Die Geschädigte N. H. war mit ihrer etwa gleichaltrigen Freundin L. N. mit ihrem Waveboard unterwegs und überquerte aus der Fahrtrichtung des Beklagten zu 1 gesehen die Fahrbahn der B ... im Bereich einer Fußgängerampel hinter der Kreu zung von links nach rechts, und zwar auf ihrem Waveboard fahrend. Die Fußgängerampel zeigte zu diesem Zeitpunkt für sie auf Rot. Ebenfalls an dieser Ampel stand die Zeugin S., die mit ihrem Fahrrad, die ebenfalls in gleicher Richtung die Straße überqueren wollte.

Im Unfallbereich gilt für den Verkehr auf der B ... eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 70 km/h, die der ehemalige Beklagte zu 1 auch in etwa einhielt. Zum Unfallzeitpunkt war es dunkel und die Straße trocken.

Nachdem die Geschädigte N. H. die Fahrbahn bereits zum großen Teil überfahren hatte, kam es auf der Fahrbahn des Beklagten zu 1 zur Kollision, wodurch N. H. schwer verletzt wurde (diverse Frakturen sowie schwere Hirnschädigungen). Sie ist infolgedessen in Pflegestufe I eingestuft. Die Klägerin hat insgesamt 12.104,33 EUR pflegebedingter Aufwendungen gehabt, von denen sie 40 % geltend macht. Darüber hinaus hat sie Feststellung weiterer Schadensersatzpflicht der Beklagten unter Zugrundelegen einer Haftungsquote von 40 % geltend gemacht.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes erster Instanz, insbesondere bezüglich des Vorbringens beider Parteien und der Gründe der angefochtenen Entscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Urteil des Landgerichtes (Bl. 78 ff. d. A.) Bezug genommen.

Hiergegen richten sich die Rechtsmittel der Parteien, wobei die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage anstrebt, während die Klägerin nach wie vor die Auffassung vertritt, die Beklagte müsse aufgrund entsprechenden Verschuldens ihres Versicherungsnehmers K., des ehemaligen Beklagten zu 1, mit einer Quote von insgesamt 40 % für die Folgen des Unfalls einstehen.

Beide Parteien wiederholen ihren erstinstanzlichen Vortrag und die hierzu vertretenen Rechtsauffassungen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Die Akten 153 Js 26115/12 StA Stade lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II. Sowohl Berufung als auch Anschlussberufung sind zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Anschlussberufung der Klägerin ist hingegen unbegründet.

Die Klägerin kann gegenüber der Beklagten keine Ersatzansprüche aus §§ 7 Abs. 1 StVG i. V. m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, 116 Abs. 1 SGB X geltend machen. Der unmittelbar Geschädigten N. H. stehen nämlich keine Schadensersatzansprüche aus dem Verkehrsunfallereignis vom 22. Oktober 2012 gegen die Beklagte zu, die auf die Klägerin hätten übergehen können.

Der Unfall ist auf das alleinige, schwerwiegende Verschulden der Geschädigten zurückzuführen. Demgegenüber tritt die Betriebsgefahr des Fahrzeuges der Beklagtenseite zurück.

2. Die Beklagte kann zwar nicht beweisen, dass das Unfallgeschehen für ihren Versicherungsnehmer, den ehemaligen Beklagten zu 1, unvermeidbar war. Die Frage der etwaigen Unabwendbarkeit spielt bei der gebotenen Abwägung der Verursachungsbeiträge auch dann eine erhebliche Rolle, wenn an einem Unfallgeschehen nicht mehrere Kraftfahrzeuge beteiligt sind (§ 17 Abs. 3 StVG), sondern auch nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer (vgl. nur BGH, VersR 2008, 126 ff. - juris Rn. 25).

Der mangelnde Nachweis der Unabwendbarkeit ergibt sich aus dem in dem Ermittlungsverfahren 153 Js 26115/12 StA Stade eingeholten Sachverständigengutachten P. vom 12. Dezember 2012 (Bl. 53 ff. d. Beiakten), dass beide Parteien nicht beanstanden. Danach wäre bei einer Weg-Zeit-Betrachtung das Unfallgeschehen für den ehemaligen Beklagten zu 1 nur dann räumlich vermeidbar gewesen, wenn er die Geschädigte rechtzeitig hätte erkennen können. Das setzt aber nach dem Gutachten vom 12. Dezember 2012 (insbes. Seite 21 f., Bl. 73 f. d.BA) ausreichend freie Sicht auf dem Kreuzungsbereich voraus.

Die Beklagte kann ihre Behauptung, die Sic...

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