Entscheidungsstichwort (Thema)
Reichweite der Risikoausschlussklausel des § 3 Ziff. 1d) ARB 2000 in der Rechtsschutzversicherung ("Bauklausel")
Leitsatz (amtlich)
1. Beteiligt sich ein Versicherungsnehmer lediglich mit Eigenkapital und ohne Aufnahme von Fremdmitteln als stiller Gesellschafter an einer Immobilienhandel AG, deren Gesellschaftszweck nur teilweise im Handel von und mit bebauten Grundstücken besteht, so greift der Risikoausschluss des § 3 Ziff. 1d) dd) ARB 1994/2000 nicht ein, weil es an der (Fremd-)Finanzierung eines konkreten Bauvorhabens fehlt.
2. Auch ein Risikoausschluss nach § 3 Ziff. 1d) bb) ARB 1994/2000 kommt nicht in Betracht, weil die Beteiligung als stiller Gesellschafter nicht dazu führt, dass Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers an dem zu planenden oder zu errichtenden Gebäude besteht.
3. An einem inneren sachlichen Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung rechtlicher Interessen und der Baumaßnahme fehlt es ferner, wenn der Versicherungsnehmer seine Ansprüche ausschließlich auf Aufklärungsmängel anlässlich seiner Beteiligung an der stillen Gesellschaft stützt, die mit den von der Gesellschaft errichteten baulichen Anlagen in keinem adäquaten Zusammenhang stehen.
Normenkette
ARB § 3 1994/2000
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 19.05.2006; Aktenzeichen 13 O 256/05) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 19.5.2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des LG Hannover teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, Rechtsschutz für die außergerichtliche Interessenvertretung und die Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren der G.. AG, W., zu übernehmen, soweit der Kläger Schadensersatzansprüche aus einer atypisch stillen Gesellschafterbeteiligung i.H.v. 37.522,28 EUR geltend macht.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen der Kläger 62 % und die Beklagte 38 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Gewährung von Rechtsschutz in Anspruch. Zwischen den Parteien besteht seit dem 10.8.2000 ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, dem die ARB 2000 zugrunde liegen (Bl. 65 f., 71-79 d.A.). Gemäß § 3 Abs. 1d) ist der Versicherungsschutz ausgeschlossen für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit
aa) dem Erwerb oder der Veräußerung eines zu Bauzwecken bestimmten Grundstücks,
bb) der Planung oder Errichtung eines Gebäudes oder Gebäudeteiles, das sich im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindet oder das dieser zu erwerben oder in Besitz zu nehmen beabsichtigt,
cc) der genehmigungspflichtigen baulichen Veränderung eines Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils, das sich im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindet oder das dieser zu erwerben oder in Besitz zu nehmen beabsichtigt,
dd) der Finanzierung eines der unter aa) bis cc) genannten Vorhaben.
Am 12.6.2001 beteiligte sich der Kläger mit einem Betrag von 73.387,21 DM als atypischer stiller Gesellschafter an der G. AG (Bl. 88, 319 f. d.A.). Er hatte keine Einmaleinlage, sondern monatliche Raten von 200 DM zu leisten. Gegenstand des Unternehmens ist nach § 2 Ziff. 1c) der Satzung u.a. der Erwerb und Handel von und mit bebauten und unbebauten Grundstücken (Bl. 193-202 d.A.). Der Kläger machte gegen die G. AG mit anwaltlichem Schreiben vom 27.6.2005 Schadensersatz wegen Falschberatung anlässlich des Vertragsschlusses geltend (Bl. 14-19 d.A.). Ferner begehrte er am 27.6.2005 Rechtsschutz zunächst für die außergerichtliche Tätigkeit (Bl. 12 f. d.A.), was die Beklagte ablehnte (Bl. 20 f., 23 f. d.A.). Die Bevollmächtigten des Klägers stellten ihm am 19.8.2005 für die (beabsichtigte) gerichtliche und außergerichtliche Tätigkeit 4.536,31 EUR in Rechnung (Bl. 41 d.A.). Klage gegen die G. AG hat der Kläger nicht erhoben. Über deren Vermögen wurde am 21.2.2006 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger hat seine Ansprüche bei dem Insolvenzverwalter angemeldet. Eine Prüfung der Forderung ist bisher nicht erfolgt.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Ausschlussklausel in § 3 Abs. 1d) ARB 2000 greife nicht ein, weil es nicht um typische Baurisiken, sondern um Schadensersatz wegen der fehlerhaften Beratung im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage gehe (Bl. 4-8, 104-107, 217 f. d.A.). Das Versprechen einer Garantieverzinsung und die Vereinbarung eines überhöhten Agios hätten nichts mit einem Baurisiko zu tun. Außerdem fehle es am ursächlichen Zusammenhang, da nicht feststehe, dass die G. AG überhaupt mit Grundstücken gehandelt und dies etwas mit der konkreten Interessenwahrnehmung zu tun gehabt habe. Tatsächlich habe die G. AG zu keinem Zeitpunkt Baugrundstücke in ihrem Besta...