Entscheidungsstichwort (Thema)
Beratungs- und Aufklärungspflichten bei sog. "Schrottimmobilien" (Bausparraten, Mietpool)
Leitsatz (amtlich)
1. Der Verkäufer einer Eigentumswohnung, der dem Erwerber im Rahmen der Beratung eine "Musterrentabilitätsrechnung" vorlegt, in der die Aufwendungen für den Erwerb den Einnahmen gegenübergestellt werden, verletzt seine Beratungspflicht, wenn er bei dem für den Erwerber nach Abzug von Mieteinnahmen, Steuerersparnis etc. verbleibenden Eigenaufwand nicht unmissverständlich darauf hinweist, dass dieser Aufwand sich wegen kontinuierlich ansteigender Raten von Bausparverträgen, die zur Ablösung des den Erwerb finanzierenden Vorausdarlehens dienen, in den Folgejahren erhöhen wird. Das gilt jedenfalls dann, wenn der dem Grundstückserwerb dienende Darlehensvertrag, aus dem sich das Ansteigen der Bausparraten ergibt, erst nach dem Vertrag über den Erwerb der Eigentumswohnung geschlossen wird.
2. Tritt der Erwerber einer Eigentumswohnung einem Mietpoolvertrag bei, durch den er auch das Risiko des Leerstandes anderer Wohnungen der Anlage mit übernimmt, so muss bei der Berechnung des dem Erwerb dienenden Eigenaufwandes ein angemessener Abschlag von den Einnahmen oder ein Zuschlag bei den monatlichen Belastungen erfolgen. Der Veräußerer verletzt seine Beratungspflichten, wenn eine derartige Berücksichtigung des Mietpoolrisikos unterbleibt, der Mietpool vielmehr seit Erwerb strukturell unterdeckt ist, so dass die kalkulierten Mieteinnahmen nicht erreicht werden und von einem von Anfang an unrealistischen Eigenaufwand auszugehen ist.
Normenkette
BGB §§ 249, 280
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 28.03.2007; Aktenzeichen 10 O 5/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das am 28.3.2007 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des LG Hannover unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Unter Aufhebung des Versäumnisurteils des LG Hannover vom 5.7.2006 wird die Beklagte verurteilt, an die Kläger zu Händen eines von den Klägern zu beauftragenden Notars 99.318,45 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.4.2004 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abgabe folgender notarieller Erklärung der Kläger vor dem beauftragten Notar:
"Wir sind eingetragene Eigentümer des Wohnungseigentums, eingetragen im Wohnungsgrundbuch des AG Hannover von L. Blatt ... und des Teileigentums, eingetragen im Teileigentumsgrundbuch von L. Blatt, bestehend aus:
a) einem 37/10.000stel Miteigentumsanteil an dem Grundstück im Rechtsinn, Gemarkung L., FluR., Flurstücke ... und ..., verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung im Gebäude F.-StR., im 1. Obergeschoss Mitte, NR. des Aufteilungsplans, sowie
b) einem 8/10.000stel Miteigentumsanteil an dem obigen Grundstück im Rechtssinn, verbunden mit dem Sondereigentum an dem Tiefgaragenstellplatz NR. des Aufteilungsplanes.
Wir verpflichten uns hiermit, das vorbezeichnete Wohnungseigentumsrecht auf die K. KG, vertreten durch ihren Geschäftsführer, zu übertragen, frei von Belastungen in Abteilung III des Wohnungsgrundbuchs sowie nur mit den durch Vertrag vom 2.11.1996 in Abteilung II übernommenen Belastungen.
Wir erteilen hiermit der K. KG die unwiderrufliche Vollmacht, in unsrem Namen unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB die Auflassung zu erklären.
Wir erteilen unser Einverständnis mit einer Weisung der K. KG an den unterzeichnenden Notar, den eingehenden Zahlungsbetrag zur Ablösung der in Abteilung III des Wohnungsgrundbuches eingetragenen Grundschuld der B. Bausparkasse AG zu verwenden.
Wir bewilligen die Eintragung der K. KG als Eigentümerin unter der aufschiebenden Bedingung, dass Zahlungseingang in Höhe des durch die Klage geforderten Betrages nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.4.2004 auf dem Konto des unterzeichnenden Notars erfolgt und ein etwaig überschießender Betrag an uns auszukehren ist."
Es wird festgestellt, dass die Beklagte auch zum Ausgleich des Weiteren Vermögensschadens verpflichtet ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtstreits mit Ausnahme der durch die Säumnis der Kläger im Termin vom 5.7.2006 entstandenen Kosten, die die Kläger tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger begehren im Wege des Schadensersatzes Rückgängigmachung des Kaufvertrages über eine Eigentumswohnung.
Mit Vertrag vom 2.11.1996 erwarben die Kläger zu 2) sowie ihr zwischenzeitlich verstobener Ehemann D.S. (i.F.: die Erwerber) von der Beklagten den 37/10.000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück L., FluR., Flurstücke ... und ..., verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung NR. in dem Objekt F.-StR. zum Preis von 194...