Leitsatz (amtlich)
1. Der Sinn und Zweck von Verträgen i.S.v. § 12a Abs. 1 Satz 1 ApoG liegt allein darin, dass die Versorgung der Heimbewohner mit Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten gesichert ist. Schutzsubjekt des § 12a Abs. 1 ApoG sind demgemäß allein die Heimbewohner bzw. - mittelbar - auch das Heim selbst, nicht aber die an dem Vertrag beteiligte Apotheke.
2. Zur Frage, ob eine Apotheke Anspruch auf entgangenen Gewinn hat, wenn ein Heim i.S.v. § 1 Heimgesetz einen mit der Apotheke abgeschlossenen Vertrag i.S.v. § 12a Abs. 1 Satz 1 ApoG vor Ablauf einer in dem Vertrag geregelten Kündigungsfrist kündigt.
Normenkette
ApoG § 12a; BGB § 280 Abs. 1, § 252
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 24.03.2015; Aktenzeichen 32 O 24/14) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 7. Kammer für Handelssachen des LG Hannover vom 24.3.2015 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheit in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz aus entgangenem Gewinn.
Die Klägerin ist Inhaberin einer Apotheke; die Beklagte betreibt ein Alten- und Pflegeheim. Zwischen der Klägerin und dem "H." wurde am 27.3.2003 ein "Vertrag zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Versorgung der Bewohner eines Heimes i.S.d. § 1 des Heimgesetzes (Mustervertrag gemäß § 12a Apothekengesetz)" geschlossen. Die Klägerin und die im Jahr 2005 gegründete Beklagte vereinbarten am 1.2.2008, dass dieser Vertrag von den Parteien des Rechtsstreits weitergeführt wird. Auszugsweise enthält der Vertrag vom 27.3.2003 folgende Regelungen:
Präambel:
"... Auch bleibt es dem Heimträger unbenommen, weitere Verträge gleichen Inhalts mit anderen öffentlichen Apotheken zu schließen."
§ 4 Abs. 3:
"Wird das Heim von mehr als einer öffentlichen Apotheke versorgt, gelten für die Abgrenzung der Zuständigkeitsbereiche der beteiligten Apotheken die in einer Anlage zu diesem Vertrag vereinbarten Bestimmungen."
§ 10 Abs. 2:
"Der Heimträger informiert den Apotheker unverzüglich, wenn er Verträge zum gleichen Gegenstand mit anderen Apotheken abschließt."
§ 12 Abs. 2:
"Die Kündigungsfrist beträgt sechs Monate zum Ende des Quartals."
Im Jahr 2013 erbat die Beklagte von der Klägerin, dass diese ein Angebot erstelle, welches die Arzneimittelbelieferung inkl. einer kostenlosen Verblisterung beinhalte. Nach Prüfung teilte die Klägerin der Beklagten am 30.9.2013 mit, dass sie für die Verblisterung kein Angebot abgeben könne, weil dieses ihre persönlichen Ressourcen übersteige. Daraufhin kündigte die Beklagte den Belieferungsvertrag mit Schreiben vom 3.12.2013 zum 31.12.2013. Zum 1.1.2014 schloss die Beklagte einen Versorgungsvertrag mit einer anderen Apotheke.
Die Klägerin hat mit der vorliegenden Klage von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von zunächst 17.232,12 EUR geltend gemacht. Dies entspreche dem entgangenen Gewinn für die Dauer von sechs Monaten, den sie aus den Umsätzen betreffend die Belieferung der Bewohner des Heimes der Beklagten erzielt hätte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das LG hat der Klage in Höhe von 13.700 EUR stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, diesen Betrag schulde die Beklagte der Klägerin gemäß §§ 280, 252 BGB als entgangenen Gewinn wegen Nichteinhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist. In der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist sei eine Pflichtverletzung der Beklagten zu sehen. Die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist diene u.a. auch dem Schutz des Apothekers, der bei der Versorgung von Heimbewohnern auch die sachgerechte Kontrolle der Arzneimittelbestände zu übernehmen habe. Aufgrund der Nichteinhaltung der Kündigungsfrist sei der Klägerin ein Gewinnausfall entstanden, den es gemäß § 287 ZPO auf 13.700 EUR schätze.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG Hannover vom 24.3.2015 (Az.: 32 O 24/14) aufzuheben, das Versäumnisurteil des LG Hannover vom 28.10.2014 (Az.: 32 O 24/14) aufrecht zu erhalten und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug.
Auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen wird ergänzend verwiesen.
II. Die Berufung hat Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersat...