Entscheidungsstichwort (Thema)

Honorarvereinbarungen können wirksam auch mündlich geschlossen werden. Nichtanwendbarkeit der Mindestsätze gem. § 7 Abs. 1 HOAI.

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Honorarvereinbarung ist nicht gem. § 7 Abs. 1 HOAI unwirksam, weil sie mündlich geschlossen wurde.

2. Eine Unterschreitung der Mindestsätze der HOAI führt nicht (mehr) zur Unwirksamkeit der Honorarvereinbarung.

3. Eine Pauschalhonorarvereinbarung kann wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein (hier verneint).

4. Der Auftragnehmer, der bis zur vorzeitigen Beendigung eines Pauschalpreisvertrages nur geringfügige Teilleistungen erbracht hat, kann die ihm zustehende Mindestvergütung in der Weise abrechnen, dass er die gesamte Leistung als nicht erbracht zugrunde legt und von dem Pauschalpreis die hinsichtlich der Gesamtleistung ersparten Aufwendungen absetzt (BGH, Urteil vom 25. November 2004 - VII ZR 394/02 -, juris). Es spricht nichts Durchgreifendes dagegen, eine solche Abrechnung auch in Fällen zuzulassen, in denen die beauftragte Leistung bis zur Kündigung nicht nur in ganz geringem Umfang erbracht worden ist, sondern der Anteil nicht erbrachter Leistungen den der erbrachten Leistungen nur erheblich überwiegt.

5. Wenn es dem Auftraggeber gestattet ist, Einwendungen gegen die Prüffähigkeit der Schlussrechnung des Unternehmers zu erheben (vgl. nunmehr § 650g Abs. 4 S. 2 BGB), kann er erst recht nicht mit inhaltlichen Einwänden ausgeschlossen sein. Bei Vorlage einer neuen Abrechnung ist der Auftraggeber daher nicht - auch nicht im Hinblick auf § 531 Abs. 2 ZPO - gehindert, erstinstanzlich nicht geltend gemachte Einwände betreffend die ersparten Aufwendungen im Berufungsverfahren zu erheben.

6. Tritt der Auftraggeber dem substantiierten Vorbringen des Auftragnehmers zu den ersparten Aufwendungen nicht entgegen, so gilt gem. § 138 Abs. 3 ZPO der Vortrag des Auftragnehmers als zugestanden.

7. Kündigt der Auftraggeber gem. § 648 S. 1 BGB n.F., beauftragt einen anderen Architekten und reagiert auf Schreiben des Auftragnehmers nicht, gibt er zu erkennen, dass er das Vertragsverhältnis mit dem Auftragnehmer als endgültig beendet ansieht und keine Leistungen mehr annehmen will. Macht der Auftraggeber bei seiner Inanspruchnahme Mängel geltend und stellt anderweitige Schadensersatzansprüche zur hilfsweisen Aufrechnung, gibt er zu erkennen, auch zu einer Abnahme der Leistungen des Auftragnehmers nicht willens zu sein. Eine Abnahme (§ 640 BGB) ist in diesem Fall entbehrlich, weil sich das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis gewandelt hat.

8. Die Zulässigkeit neuen Vorbringens und einer Hilfsaufrechnung im Berufungsverfahren bemisst sich nach den §§ 533, 529, 531 ZPO. Eine Hilfsaufrechnung ist nicht als sachdienlich gem. § 533 Nr. 1, 2. Alt. ZPO anzusehen, wenn ihre Zulassung den vorliegenden Prozess mit völlig neuem Streitstoff belastet, der zudem ein anderes Bauvorhaben betrifft, und zwischen der mit der Klage geltend gemachten Forderung und der Aufrechnungsforderung kein rechtlicher Zusammenhang besteht. Die Voraussetzungen des § 533 S. 2 ZPO liegen nicht vor, wenn das neue Vorbringen gem. § 531 abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen ist.

 

Normenkette

BGB §§ 138, 640, 648; HOAI § 7; ZPO §§ 138, 529, 531, 533

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Aktenzeichen 4 O 131/16)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12. März 2019 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg ≪4 O 131/16 ≫ teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.660,16 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. November 2019 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu 55 % und die Beklagte zu 45 %; die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 51 % und die Beklagte zu 49 %.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in

Höhe von 110 % des jeweils aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.035,50 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt Vergütung für Architektenleistungen nach vorzeitig beendetem Vertragsverhältnis.

Der Kläger ist freischaffender Architekt, die Beklagte ist als Projektentwicklerin tätig.

Die Parteien schlossen am 23.07.2015 einen Architektenvertrag, vorgelegt als Anlage K 1 (Bl. 14f.), betreffend den Neubau von drei Doppelhäusern in der L.straße in H. Ziffer 2 des Vertrags enthält unter der Überschrift "Vertragsziel" eine "Kurzbeschreibung des zu planenden Projektes". Unter anderem ist dort festgehalten, dass der Neubau entsprechend der En...

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