Normenkette
ZPO § 384 Nr. 2, § 387
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 13 O 37/08) |
Tenor
1. Der Zeuge K. W. ist wegen des bei der Staatsanwaltschaft Hannover unter dem Aktenzeichen 4212 Js 27241/07 u.a. gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens im Hinblick auf die von der Klägerin erhobenen Behauptungen,
- er habe sowohl auf Versichererseite als auch auf Kundenseite aktiv Gehilfen gesucht, die seine Untreuehandlungen innerhalb der H.-Firmengruppe deckten und verschleierten,
- er habe den Zeugen S. direkt auf dieses Thema angesprochen und
- mit diesem eine konspirative Absprache getroffen,
nach § 384 Nr. 2 ZPO umfassend zur Zeugnisverweigerung berechtigt.
2. Die Kosten des Zwischenstreits hat die Klägerin zu tragen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
4. Der Streitwert wird auf bis zu 7.500.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einem zwischen der Beklagten und der H.-Gruppe (im Folgenden: H.) geschlossenen Versicherungsvertrag wegen ihr angeblich im Zusammenhang mit von H. durchgeführten Geldtransporten entstandener Schäden in Anspruch.
Die Beklagte hat sich darauf berufen, aus dem Versicherungsvertrag keine Leistungen erbringen zu müssen. Unter anderem habe sie den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten, weil H. die bestehende Pflicht, eine bei Abschluss des Versicherungsvertrages längst eingetretene Überschuldung der Firmengruppe, ein von ihr betriebenes Schneeballsystem zur Deckung von Kapitallücken sowie einen Schadensfall aus dem Monat Mai 2001 anzuzeigen, schuldhaft verletzt habe.
Die Klägerin hat demgegenüber behauptet, dass der Beklagten die Überschuldung, das Schneeballsystem und der betreffende Schadensfall bekannt gewesen seien. Der Zeuge W. habe als Geschäftsführer der Firmengruppe H. sowohl auf Versichererseite als auch auf Kundenseite aktiv Gehilfen gesucht, die seine Untreuehandlungen innerhalb der H.-Firmengruppe deckten und er hierzu den Mitarbeiter der Beklagten H. S. direkt angesprochen und mit diesem konspirative Absprachen getroffen habe. Die Klägerin hat sich zum Beweis u.a. auf das Zeugnis des K. W. und des H. S. berufen.
Gemäß Beschluss vom 17.12.2009 (Bl. 829 d.A.) sollte über die Behauptungen der Klägerin Beweis durch die Vernehmung der Zeugen W. und S. erhoben werden. Gegen die Zeugen wird bei der Staatsanwaltschaft Hannover zum Aktenzeichen 4212 Js 27241/07 u.a. wegen des Vorwurfs der Bestechung bzw. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) ermittelt. Gegen den Zeugen S. zum Aktenzeichen 4212 Js 16308/10 zudem auch wegen des Verdachts der Geldwäsche. Unter dem 11.4. und 12.8.2008 erließ das AG Hannover Durchsuchungsbeschlüsse (Anlage K 78, Bl. 564 f. Bd. III d.A. und Anlage Bk 3, Bl. 754-757 Bd. III d.A.). Dem Zeugen W. wird dort vorgeworfen, dem Zeugen S. zahlreiche Zuwendungen gemacht zu haben, damit dieser trotz oft tagelanger Verzögerungen bei Zahlungen der Kundengelder durch H. nichts unternehme, Schadenakten schließe sowie im Zusammenhang mit der Gewährung von Gebäude-Versicherungsschutz auf die Einhaltung erforderlicher Sicherungsmaßnahmen an H.-Gebäuden verzichte und erforderliche VDS-Zertifikate nicht einfordere, wodurch die H.-Gruppe einen erheblichen finanziellen Vorteil gegenüber anderen Wettbewerbern erhalten habe.
Mit Beschluss vom 4.4.2010 hat der Senat darauf hingewiesen, dass dem Zeugen W. ein in Bezug auf die Beweisfragen des Beschlusses vom 17.12.2009 umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht zustehen dürfe, weil jede inhaltliche Antwort auf diese Fragen die Gefahr begründe, aus diesem Sachverhalt heraus strafrechtlich in Anspruch genommen zu werden (etwa im Rahmen des laufenden Ermittlungsverfahrens oder mit dem Vorwurf der Anstiftung pp. zur Untreue von Mitarbeitern der Beklagten) oder sich eines unehrenhaften Verhaltens zu bezichtigen.
Die Klägerin hat daraufhin geltend gemacht, dass dem Zeugen W. kein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 ZPO zustehe und das Beweisthema mit dem Gegenstand des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens in keinem Zusammenhang stehe (Bl. 877 ff. und 977 ff. d.A.). Der Zeuge sei zu befragen und im Hinblick auf die einzelnen Fragen müsse geprüft werden, ob ein Zeugnisverweigerungsrecht bestünde. Der Zeuge habe ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 384 Nr. 2 ZPO nicht ausreichend begründet und glaubhaft gemacht. Er könne sich nicht auf eine Herabsetzung seines Ansehens berufen, weil er durch das Urteil des LG Hildesheim vom 23.5.2007 (Az.: 25 Kls 5413 Js 18030/06) bereits wegen Untreue in 156 Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Verletzung der Insolvenzantragspflicht sowie vorsätzlichen Bankrotts zu einer Freiheitsstrafe von 10 Jahren verurteilt wurde, weshalb sein Ansehen selbst dann, wenn er im Rahmen der Beweisaufnahme im hiesigen Verfahren erklären würde, dass er sich weiterer Gehilfen bedient habe, nicht (mehr weiter) spürbar herabgesetzt werden würde. Insoweit sei auch ein Strafklageverbrauch eingetreten, weshalb die Gefahr einer Strafverfolgung auch nich...