Entscheidungsstichwort (Thema)

Grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalles (Pkw-Entwendung) durch Aufbewahren eines Fahrzeugschlüssels auf dem Tresen eines Restaurants

 

Leitsatz (amtlich)

1. Grobe Fahrlässigkeit in der Fahrzeugversicherung gem. § 61 VVG liegt vor, wenn der Versicherungsnehmer (Restaurantbesitzer) den Schlüssel für einen vor der Gaststätte abgestellten Pkw dauerhaft in einer offenen Tonschale auf dem Tresen des Restaurants aufbewahrt, ohne dass eine ständige Überwachung während der normalen Öffnungszeiten gewährleistet ist.

2. Ebenso liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn ein Versicherungsnehmer nachts in einer Gaststätte, in der sich sonst niemand aufhält, einen Teil des Oberlichtes eines ebenerdigen Fensters auf der Rückseite des Gebäudes vollständig ausbaut, die einzelnen Räume der Gaststätte untereinander nicht verschlossen sind und der Pkw-Schlüssel sich in einer offenen Schale auf dem Tresen befindet.

 

Normenkette

VVG § 61

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 10.01.2005; Aktenzeichen 12 O 133/04)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 10.1.2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 12. Zivilkammer des LG H. wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, 1. Alt., § 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 529 Abs. 1, Alt. 2 ZPO). Der Klägerin steht kein Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagte zur Zahlung der Entschädigung aus § 1 Abs. 1 S. 1, § 49 VVG, §§ 12, 13 AKB wegen des von ihr behaupteten Diebstahls des Pkw Mercedes CDI, amtl. Kennzeichen MQ-..., am 21.8.2003 in M. verpflichtet ist, zu.

Die zwischen den Parteien streitige Frage, ob es überhaupt zu einem Diebstahl des Pkw gekommen ist, kann hierbei offen bleiben, da die Beklagte in jedem Fall nach § 61 VVG wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles von der Verpflichtung zur Leistung frei ist.

1. Die Anwendung des § 61 VVG setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer durch sein Verhalten - Tun oder Unterlassen - den vertragsgemäß vorausgesetzten Sicherheitsstandard ggü. der Diebstahlsgefahr deutlich unterschritten hat (BGH v. 5.10.1983 - IVa ZR 19/82, MDR 1984, 209 = VersR 1984, 29; OLG Celle v. 23.9.2004 - 8 U 128/03, OLGReport Celle 2004, 574 = ZfS 2004, 564 [565]); in objektiver Hinsicht muss der Versicherungsnehmer die drohende Verwirklichung der versicherten Gefahr in gravierendem Ausmaß zulassen, obwohl er die geeigneten Mittel zum Schutz der versicherten Interessen in der Hand hat und er bei zumutbarer Wahrnehmung seiner Belange auch davon Gebrauch machen könnte. Ferner muss er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt durch ein subjektiv unentschuldbares Fehlverhalten in hohem Maß außer Acht gelassen und das Nächstliegende, was jedem in der gegebenen Situation einleuchtet, nicht beachtet haben (BGH v. 29.1.2003 - IV ZR 173/01, MDR 2003, 505 = BGHReport 2003, 428 m. Anm. Reinert = VersR 2003, 364; v. 12.10.1988 - IVa ZR 46/87, MDR 1989, 337 = VersR 1989, 141). Ein grob fahrlässiges Herbeiführen des Versicherungsfalls durch die Klägerin ergibt sich hier bei Zugrundelegung jeder der beiden in Betracht kommenden Sachverhaltsvarianten. Unstreitig ist der in einer Tonschale auf dem Tresen des Restaurants aufbewahrte Zweitschlüssel entweder während des normalen Geschäftsbetriebs oder anlässlich eines Einbruchs durch ein Fenster auf der Rückseite des Gebäudes, dessen Oberlicht fehlte, abhanden gekommen.

a) Zunächst ist das Verwahren des Schlüssels in einer offenen Tonschale auf dem Tresen des Restaurants als grob fahrlässig anzusehen. Zu den von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer zu erwartenden Sicherungsvorkehrungen gegen einen Fahrzeugdiebstahl gehört es, den Fahrzeugschlüssel so aufzubewahren, dass dieser vor unbefugten Zugriffen beliebiger Dritter geschützt ist. Maßgebend ist, ob in der konkreten Situation ein erheblich erleichterter Zugriff für unbefugte Dritte bestand, was für den Versicherungsnehmer auch ohne weiteres ersichtlich war (OLG Köln r+s 1996, 392: Belassen der Kfz-Schlüssel in der Jackentasche in einem Raum eines Reiterhofes, der für Unbefugte frei zugänglich war bei bereits früher erfolgten Diebstählen; OLG Oldenburg r+s 1996, 172: Schlüssel in der über einen Stuhl gehängten Lederjacke in einer Gaststätte ohne Möglichkeit ständiger Kontrolle bei gleichzeitigem erheblichen Alkoholkonsum des Versicherungsnehmers; OLG Bremen v. 9.8.1994 - 3 U 32/94, VersR 1995, 1230: Schlüssel in Tasche einer über den Stuhl gelegten Jacke in einem Lokal in der Tschechischen Republik; OLG Hamm v. 26.4.1991 - 20 U 284/90, NJW-RR 1992, 360: Ablage des Schlüssels durch einen Gast auf dem Tresen einer Gaststätte über mehrere Stunden bei erheblichem Alkoholgenuss; OLG Frankfurt v. 13.11.1991 - 17 U 78/90, NJW-RR 1992, 537: Ja...

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