Leitsatz (amtlich)
›1. Zwischen dem Anspruch der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer aus § 9a GmbHG und gegen den Gesellschafter aus § 19 GmbHG besteht Gesamtschuld.
2. § 9a GmbHG setzt trotz seines deliktischen Aufbaus keinen Schaden voraus.
3. Soweit die Pflichtverletzung des Geschäftsführers in der durch § 9a Abs. 1 GmbHG erfassten Handlung besteht, geht die Vorschrift der allgemeinen Haftungsnorm des § 43 Abs. 2 GmbHG vor.‹
Verfahrensgang
LG Stade (Entscheidung vom 26.08.1999; Aktenzeichen 4 O 283/98) |
Tatbestand
Der Kläger begehrt als Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Firma ####### Schadensersatz von dem Beklagten als früheren Geschäftsführer der Gesellschaft.
1993 beabsichtigte die niederländische Familiengruppe #######, die zum früheren DDR-Kombinat ####### gehört hatten, zu erwerben und verhandelte hierzu mit der Treuhandanstalt. Im Oktober 1993 war der Kaufvertrag zwischen der ####### und der Treuhand ausgehandelt und unterschriftsreif. Da sich die Käufer gegen mögliche Haftungsrisiken weitgehend absichern wollten, trat weder die niederländische ####### noch ein Gesellschafter dieser ####### als Käufer auf. Vielmehr wurde eine Zwischenholding unter der Firma ####### mit Sitz in ####### gegründet. Hierzu wurde bei dem Notar #######, #######, am 7. Oktober 1993 eine Gründungsurkunde über die Errichtung der ####### und der ####### erstellt. Alleinige Gesellschafterin der neu gegründeten GmbH war die ####### mit Sitz in #######. Mit der Grünung bestellt die #######H ihren alleinigen Geschäftsführer, den Beklagten, zum Geschäftsführer der #######. Am 12. Oktober 1993 unterzeichnete der Beklagte die Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister, wobei er auf S. 2 der Registeranmeldung erklärte: 'Ich versichere, dass die Stammeinlage in Höhe von 100.000 DM in voller Höhe eingezahlt ist und dass sich der eingezahlte Betrag endgültig zu meiner freien Verfügung als Geschäftsführer befindet'. Der Urkundsnotar reichte die Anmeldung - wegen der Eilbedürftigkeit im Hinblick auf den beabsichtigten Vertragsschluss mit der Treuhandanstalt - unverzüglich beim Amtsgericht ein. Zum Zeitpunkt der Erklärung am 12. Oktober 1993 war das Stammkapital noch nicht auf dem Konto der zu gründenden Gesellschaft eingezahlt worden. Dies erfolgte auf Grund einer durch den Beklagten veranlassten Überweisung vom Konto einer Tochtergesellschaft der ####### mit Wertstellung zum 15. Oktober 1993 auf ein Konto der Gesellschaft in Gründung. Auf dem Überweisungsträger war als Verwendungszweck 'Übertrag' angegeben, die Gutschrift auf dem Kontoauszug der ####### erfolgte unter dem Stichwort 'Vergütung'.
Am 29. Oktober 1993 veranlasste der Beklagte persönlich die Rücküberweisung des Betrages von 100.000 DM auf das Konto der einzahlenden #######. Das Konto der ####### wies zum 1. November 1993 ein Guthaben von 0,00 DM aus.
Die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister erfolgte am 19. November 1993.
Durch Gesellschafterbeschluss vom 3. März 1994 wurde die Firma der ####### in ####### geändert. Ab Herbst 1995 gerieten die von der Familiengruppe #######n übernommenen Gesellschaften des früheren DDR-Kombinates ####### in erheblich wirtschaftliche Schwierigkeiten, sodass nach und nach eine Gesamtvollstreckung angeordnet wurde. Nachdem zunächst Sequestration angeordnet war, wurde über das Vermögen der ####### am 15. Januar 1997 ebenfalls das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet. Auch die ####### verfiel in Konkurs.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass der Beklagte in Höhe der Stammeinlage von 100.000 DM schadensersatzpflichtig sei, weil er in Verletzung seiner Sorgfaltspflicht als Kaufmann die Stammeinlage nicht angefordert bzw. diese ohne Sicherheiten einer anderen Gesellschaft zur Verfügung gestellt habe. Überdies habe er am 12. Oktober 1993 fälschlich versichert, dass die Einlage geleistet sei und ihm in voller Höhe zur Verfügung stehe.
Der Beklagte hat bestritten, dass die Stammeinlage nicht wirksam erbracht worden sei. Die Hingabe des Darlehens an die Schwestergesellschaft sei wirtschaftlich sinnvoll gewesen, weil die Gemeinschuldnerin als Verwaltungsgesellschaft keinen eigenen Kapitalbedarf gehabt habe und durch die Darlehensgewährung Zinseinnahmen erzielt worden seien. Vorsorglich hat sich der Beklagte auf Verjährung berufen.
Das Landgericht hat eine Pflichtverletzung i. S. des § 43 Abs. 2 GmbHG darin gesehen, dass der Beklagte das gesamte Gesellschaftsvermögen als ungesichertes Darlehen herausgegeben habe.
Mit seiner Berufung begehrt der Beklagte Klagabweisung. Hierzu meint er, dass die vom Landgericht bejahten Voraussetzungen des § 43 GmbHG nicht vorliegen würden. Insbesondere fehle es an einem Verstoss gegen allgemeine Geschäftsführerpflichten. Zwar sei die Darlehenshingabe möglicherweise risikobehaftet gewesen, dies sei aber im kaufmännischen Leben nicht ungewöhnlich. Überdies habe es sich bei der Empfängerin um ein Schwesterunternehmen gehandelt, sodass auf eine Sicherung des Darlehens verzichtet werde...