Leitsatz (amtlich)
0. Zwischen dem Anlageinteressenten und einemrenommierten Finanzdienstleister kommt regelmäßig ein Anlageberatungsvertrag zustande, auch wenn die Beratung durch selbstständige Handelsvertreter durchgeführt wird.
1. Zu den Aufklärungspflichten eines Anlageberaters, der vor Empfehlung einer Anlage eine „private Finanzstrategie” für den Anlageinteressenten erstellt.
2. a) Zu den Beratungspflichten des Anlageberaters, der seinem Kunden eine kreditfinanzierte Anlage vermittelt.
b) Enthält ein zur Beratung benutzter umfänglicher und schwer überschaubarer Prospekt der Anlageinitiatoren keine am Investitionsvolumen orientierte, zusammenfassend gewichtende Risikobeschreibung, so obliegt es einem großen Anlageberater wie der Beklagten, eine solche dem Kunden seinerseits zu erbringen.
3. Im Rahmen der Schadensberechnung muss sich der Anleger gegenüber dem Anlageberater die gezogenen steuerlichen Vorteile jedenfalls dann im Wege der Vorteilsausgleichung anrechnen lassen, wenn die Anlage so konzipiert war, dass ein Teil des Ertrages durch Steuervorteile erzielt werden sollte.
4. Diese Steuervorteile kann das Gericht jedenfalls dann durch Schätzung ermitteln, wenn bei einer kreditfinanzierten Anlage einerseits der Kreditvertrag vorliegt und es dem Anleger nicht zuzumuten ist, seine steuerlichen Daten offen zu legen, und andererseits der Anlageberater die Einzelheiten der steuerlichen Vorteile des Anlegers nicht kennen und dementsprechend nicht vortragen kann.
Normenkette
BGB §§ 276, 278
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 24.08.2001; Aktenzeichen 9 O 6161/00) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung das Urteil der 9 Zivilkammer des LG Hannover vom 24.8.2001 teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 54.996,60 Euro (107.564 DM) nebst 8 % Zinsen ab dem 18.1.2001 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus der Beteiligung an dem Objekt DLF 94/17 – W. F. KG.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle aus der Ablösung des Darlehensvertrages Nr. … mit der B.-Bank AG entstehenden Schäden zu ersetzen.
3. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beiden Parteien wird gestattet, die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht diese vor der Vollstreckung Sicherheit in nämlicher Höhe leistet.
Beiden Parteien wird nachgelassen, eine von ihnen zu erbringende Sicherheit in Form einer unbedingten, unwiderruflichen, unbefristeten, selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse, Volksbank oder eines Kreditinstituts, welches einem namhaften Einlagensicherungsfonds angehört, zu leisten.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 45 % zu tragen und hat die Beklagte 55 % zu tragen.
6. Die Revision wird zugelassen.
7. Die Beschwer beider Parteien übersteigt 20.000 Euro.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger für eine aus dessen Sicht misslungene Kapitalanlageberatung Schadensersatz zu leisten.
Der Kläger, ein Zahnarzt, beteiligte sich im November 1996 mit einem Betrag von 200.000 DM zzgl. 10.000 DM Abwicklungsgebühr an der sog. „Dreiländer Beteiligung Objekt DLF 94/17 – W. F. KG –”, einem geschlossenen Immobilienfond (im Folgenden: Dreiländerfonds). Zur Zeit der Beteiligung war der Kläger ca. 40 Jahre alt. Der Kläger hat einen Prospekt der Initiatoren dieses Fonds zu den Akten gereicht, der zur 7. Auflage aus dem März 1996 gehört (GA 33 ff.), von dem nicht streitig ist, dass er dem Kläger von dem für die Beklagte tätigen Berater ausgehändigt worden ist. Im Laufe des Berufungsrechtszuges hat die Beklagte einen Prospekt der 8. Auflage aus dem Mai 1996 vorgelegt, der in die hintere Aktentasche von Bd. IV der Akten genommen worden ist. Auf den Prospekt mit Stand 8.5.1996 nimmt das Beteiligungsangebot Bezug, das der Kläger am 12.11.1996 unterzeichnet hat.
Der Beteiligung des Klägers vorangegangen war eine Beratung durch den für die Beklagte als Handelsvertreter tätigen Berater namens K. Im Rahmen der Beratung des Klägers durch den vorgenannten Finanzberater wurde im März 1996 eine so genannte Mandantenanalyse erstellt. Deren Ergebnis ging dahin, dass der Kläger monatlich nach Deckung aller betrieblichen und privaten Kosten und seines Lebensunterhalts 2.029 DM zur freien Verfügung habe (GA 15). Ferner werde bei seinem Rentenbeginn in 25 Jahren voraussichtlich eine Versorgungslücke von monatlich 24.884 DM bestehen.
Die von dem Finanzberater der Beklagten vermittelte Vermögensanlage in dem Immobilienfond wurde vollständig durch einen Kredit finanziert, welchen der Kläger bei der B.-Bank AG zu einem effektiven Jahreszins von 9,17 % aufnahm und für den er ab 1.2.1997 eine monatliche Rate i.H.v. 2.205 DM bei einer Zinsfestschreibung bis zum 31.12.2006 zu zahlen hat.
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