Leitsatz (amtlich)

1. Es liegt ein Umgehungsgeschäft vor, wenn in den Geschäftsräumen eines Händler ein von ihm beworbenes Fahrzeug verkauft wird, dessen angeblicher Verkäufer nicht im Kfz-Brief eingetragen ist, und der Pkw weder bei dem Händler noch bei dem angeblichen Verkäufer, sondern bei einem anderen (Vor-)Eigentümer versichert ist.

2. Das Umgehungsgeschäft hat zur Folge, dass der Händler im Prozess passivlegitimiert ist und sich nicht auf einen Gewährleistungsausschluss berufen kann, sondern der vollen Sachmangelhaftung unterliegt.

 

Normenkette

BGB § 475

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 13.05.2005; Aktenzeichen 8 O 302/04)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 13.5.2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des LG Hannover teilweise abgeändert und wie folgt neugefasst.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.800,12 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.9.2004 Zug um Zug gegen Herausgabe und Rückübereignung eines Pkws des Herstellers Audi, Modell S 2, Erstzulassung ...1993, Fahrgestell-Nr. ... zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte mit der Rücknahme des oben näher bezeichneten Pkw Audi S 2 in Verzug ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben der Kläger 39 %, der Beklagte 61 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschwer für beide Parteien: unter 20.000 EUR.

 

Gründe

I. Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gemäß den §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung des Klägers hat dem Grunde nach Erfolg, ist jedoch der Höhe nach nur teilweise begründet.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gemäß den §§ 437 Nr. 2, 323 BGB zu. Der Beklagte ist passivlegitimiert. Der Pkw war zum Zeitpunkt der Übergabe mit erheblichen Mängeln behaftet.

1. Der Kaufvertrag ist mit dem Beklagten zustande gekommen. Bei dem Kaufvertrag hat es sich um ein Umgehungsgeschäft des Beklagten gem. § 475 Abs. 1 Satz 2 BGB mit der Folge gehandelt, dass der Beklagte selbst als Vertragspartner anzusehen ist.

a) Eine Umgehung liegt vor, wenn eine vom Gesetz verbotene Regelung bei gleicher Interessenlage durch eine andere rechtliche Gestaltung erreicht werden soll, die objektiv nur den Sinn haben kann, das gesetzliche Verbot zu unterlaufen. Im Fall des § 475 BGB gilt dies insbesondere dann, wenn die Haftung des Verkäufers ohne wirtschaftlichen Grund verringert oder ausgeschlossen wird. Eine Umgehungsabsicht ist nicht erforderlich (OLG Saarbrücken v. 4.1.2006 - 1 U 99/05-34, OLGReport Saarbrücken 2006, 383 = MDR 2006, 1108 - aus juris; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rz. 1134 m.w.N.; Palandt-Putzo, BGB, 65. Aufl., § 475 Rz. 6). So liegt der Fall hier.

aa) Der Zeuge K. hat sich als Hausmann bezeichnet und ausgesagt, er selbst sei nie im Kfz-Brief eingetragen gewesen und das streitgegenständliche Fahrzeug sei, solange es gefahren worden sei, bei dem Voreigentümer A. versichert gewesen. Auch wenn der Zeuge entsprechend der Behauptung des Beklagten telefonisch mit dem Kläger verhandelt haben sollte, ist der Senat nach den eigenen Angaben des Zeugen - der im Übrigen mit dem Wagen nur wenige Tage gefahren sein will - der Überzeugung, dass er Strohmann für den Beklagten war, da dieser der Gewährleistungshaftung entgehen wollte. Die Hinweise des Beklagten am Telefon, er sei nicht der Eigentümer, finden in der im Internet veröffentlichten Verkaufsanzeige keine Stütze und vermögen ihm im Übrigen nicht weiterzuhelfen.

bb) Einer erneuten Vernehmung des Zeugen bedurfte es dabei nicht. Das Berufungsgericht darf gem. § 398 ZPO auch ohne erneute Beweisaufnahme eine von einem Zeugen bekundete (Willens-)Erklärung jedenfalls dann anders als der Erstrichter auslegen, wenn deren objektiver Erklärungswert vom Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) aus zu ermitteln ist und das Berufungsgericht bei der der Auslegung vorausgehenden Feststellung des Erklärungstatbestands von demselben Beweisergebnis ausgeht wie der Vorderrichter, sich bei der abweichenden Würdigung also auf solche Umstände stützt, die weder die Urteilsfähigkeit, das Erinnerungsvermögen oder die Wahrheitsliebe des Zeugen noch die Vollständigkeit oder Widerspruchsfreiheit seiner Aussage betreffen (BGH v. 8.9.1997 - II ZR 55/96, MDR 1998, 59 = NJW 1998, 384; BGH v. 10.3.1998 - VI ZR 30/97, MDR 1998, 793 = NJW 1998, 2222). Dies ist hier der Fall.

cc) Das Umgehungsgeschäft ist nicht nichtig, da die vereinbarten Rechtsfolgen ernstlich gewollt sind. Gleiches gilt bei einem Strohmanngeschäft (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 117 Rz. 5 f.).

b) Folge der Umgehung ist, dass der Beklagte als Vertragspartner zu betrachten ist und dieser sich als gewerbsmäßiger Händler nicht auf die anderweitige Vertragsgestaltung berufen kann, sondern die nach dem Gesetz vorgeseh...

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