Leitsatz (amtlich)
1. Der Reiseveranstalter haftet dem Reisenden, dem er wegen Überbuchung der Maschine den vertraglich geschuldeten Rückflug nicht gewähren kann, für den bei einem Sturz erlitte-nen Schaden, den der Reisende aus ungeklärter Ursache beim Durchqueren des Flughafens mit Gepäck unter Führung eines Mitarbeiters der Fluggesellschaft bei dem Versuch erleidet, eine andere startbereite Maschine noch zu erreichen, mit der er noch am gleichen Tage in die Nähe des vertraglichen Zielflughafens gelangen kann.
2. Die Beschaffung eines Ersatzfluges für den überbuchten Flug stellt eine Maßnahme der Beseitigung eines Reisemangels dar, während derer der Veranstalter ähnlich den sog. „Herausforderungsfällen” für Schäden, die der Reisende erleidet haftet, wenn nicht der Reisende seinerseits ungewöhnlich (überzogen/unangemessen) auf das Haftungsereignis reagiert.
3. Auf die Frage, ob der Reiseveranstalter in seinen AGB wirksam eine Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber dem Reisebüro ausgeschlossen hat, kommt es nicht an, wenn die beim Reisebüro geltend gemachten Ansprüche jedenfalls innerhalb der Monatsfrist des § 651g BGB beim Veranstalter eingegangen sind.
Normenkette
BGB §§ 249, 651 f. Abs. 1, § 651g
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 06.06.2001; Aktenzeichen 7 O 91/01) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 7. Zivilkammer des LG Hannover vom 6.6.2001 teilweise abgeändert und – soweit der Rechtsstreit zur Entscheidung reif ist – wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, der Klägerin alle materiellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus der Verletzung entstehen, welche sie sich am 29.7.2000 zwischen 17:30 Uhr und 18:00 Uhr in Gran Canaria (Las Palmas) durch einen Sturz am rechten Knie erlitten hat.
Soweit das LG die Klage in dem Umfange abgewiesen hat, in dem die Klägerin Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes und Ersatz immaterieller Schäden begehrt, wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Die Beschwer der Klägerin erreicht nicht 20.000 Euro, die Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000 Euro.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Ersatzpflicht der Beklagten aufgrund eines Sturzes, den die Klägerin im Rahmen der Rückreise eines bei der Beklagten gebuchten Pauschalurlaubes erlitten hat.
Wegen der Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.
Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin habe nicht dargetan, dass sich im Schadensgeschehen etwas anderes als ihr allgemeines Lebensrisiko verwirklicht habe. Das Schadensgeschehen liege außerhalb der wahrscheinlichen Folgen, mit denen die Beklagte habe rechnen müssen.
Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie weiter meint, die Beklagte hafte für das Unfallgeschehen auf dem Flughafen von Gran Canaria, weil sie zuvor vertragswidrig die Klägerin nicht mit dem geschuldeten Flug nach …/… transportiert habe.
Der Höhe nach macht die Klägerin ein Schmerzensgeld geltend, das sie auf 5.000 DM annimmt, sowie materiellen Schadensersatz, den sie begehrt, weil sie eine Haushaltshilfe hätte in Anspruch nehmen können. Im Laufe des Berufungsverfahrens verlor die Klägerin, die vor dem Unfall als Altenpflegerin tätig gewesen ist, ihren Arbeitsplatz durch Kündigung des Arbeitgebers wegen Krankheit.
Die Klägerin beantragt, nach ihren Schlussanträgen erster Instanz zu erkennen, wie sie auf Bl. 3 des landgerichtlichen Urteils wiedergegeben seien.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt sich damit, dass sich bei der Klägerin nur das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht habe. Die Klägerin trage nichts dazu vor, wie es zu dem Unfallgeschehen habe kommen können. Das bloße Bemerken, sie sei ausgerutscht, lege keinesfalls dar, dass und warum die Beklagte für dieses Geschehen einzustehen habe.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II. Der Rechtsstreit ist nur teilweise entscheidungsreif. Im Umfang der Entscheidungsreife bleibt die Berufung ohne Erfolg, soweit die Klägerin mit der Klage Schmerzensgeld für bereits erlittene immaterielle Schäden begehrt und die Feststellung erreichen möchte, dass die Beklagte ihr zum Ersatz künftiger immaterieller Schäden verpflichtet sei.
Soweit das LG jedoch dem Grunde nach die Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz der materiellen Schäden, die die Klägerin aufgrund des Unfallgeschehens auf dem Flughafen von Gran Canaria erlitten hat und erleiden wird, verneint hat, hat die Berufung Erfolg. Insoweit vermochte der Senat die Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach festzustellen.
Im Übrigen – soweit die Klägerin teils beziffert, teils im Wege der Festste...