Leitsatz (amtlich)
1. Teilnehmer an einem sportlichen Kampfspiel wie dem Fußballspiel nehmen grundsätzlich Verletzungen in Kauf, die auch bei regelgerechtem Spiel nicht zu vermeiden sind. Ein Schadensersatzanspruch gegen einen Mitspieler setzt den Nachweis voraus, dass dieser sich nicht regelgerecht verhalten hat.
2. Dies gilt unabhängig davon, ob Versicherungsschutz durch eine private Haftpflichtversicherung besteht.
Normenkette
BGB § 823
Verfahrensgang
LG Stade (Urteil vom 11.04.2008; Aktenzeichen 4 O 31/08) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 11.4.2008 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer/Einzelrichter des LG Stade wird zurückgewiesen.
Dem Kläger fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um materiellen und immateriellen Schadensersatz sowie Feststellung nach einer Verletzung, die der Kläger bei einem Fußballspiel erlitten hat.
Am 18.3.2007 spielte der Kläger als Mitglied seines Fußballvereins MTV R. gegen den FC E., für den der Beklagte auflief. Während des Spiels kam es zum Zweikampf zwischen den Parteien, bei dem der Kläger eine Fraktur des Schien- und Wadenbeins erlitt. Er war vom 18. bis zum 30.3.2007 in stationärer Behandlung im Krankenhaus und vom 9. bis zum 30.8.2007 bei einer Reha-Maßnahme. Er war vom Vorfallstag bis zum 10.10.2007 arbeitsunfähig krank.
Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe ihn von hinten mit gestrecktem Bein attackiert. Der Beklagte sei bereits zuvor dadurch aufgefallen, dass er mehrfach versucht habe, ihn von hinten anzugreifen. Der Schiedsrichter habe nach diesem Vorfall das Spiel mit dem Worten abgebrochen, da könne er sich die rote Karte ja sparen.
Der Kläger hat behauptet, seine Gesundheit habe bisher nicht wieder hergestellt werden können. Er sei weiterhin arbeitsunfähig, müsse behandelt werden und leide unter großen Schmerzen. Er könne nicht selbständig gehen und sei auf die Benutzung von Unterarmstützen angewiesen. Seine Tätigkeit als Gebäudereiniger (Fensterputzer) könne er nicht mehr ausüben. Seine Erwerbsfähigkeit sei um 100 % gemindert. Er, Vater von fünf Kindern, stehe erheblich unter psychischem Druck. Seine Beziehung sei belastet und sämtliche Freizeitaktivitäten wie auch ein Spiel mit seinen Kindern seien ihm nicht bzw. nur unter großen Schmerzen möglich.
Nach Einstellung der Lohnfortzahlungen ergebe sich zu seinen Lasten eine monatliche Differenz zum Krankengeld i.H.v. 141,88 EUR. Diese Differenz i.H.v. 1.276 EUR für den Zeitraum vom 29.4.2007 bis einschließlich Januar 2008 begehrt der Kläger als Schadensersatz vom Beklagten, eine Kostenpauschale i.H.v. 25 EUR, Erstattung der Zuzahlung für den Krankenhausaufenthalt i.H.v. 130 EUR, angefallene Praxisgebühren i.H.v. insgesamt 170 EUR sowie Schmerzensgeld und Feststellung der Schadensersatzpflicht für zukünftige Schäden.
Der Kläger hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, mindestens jedoch 11.000 EUR;
2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.601,92 EUR zu zahlen;
3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger aus der Körperverletzung vom 18.3.2007 in E. noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder andere Dritte übergegangen ist;
4. den Beklagten zu verurteilen, Nebenforderungen i.H.v. 1.768,88 EUR zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Kläger sei nicht im Ballbesitz gewesen und hätte den Ball gerade abgespielt. Tatsächlich seien beide in einem Zweikampf nach dem Ball gelaufen. Der Beklagte habe diesen zuerst erreicht. Auch der Kläger habe sein Bein nun nach dem Ball ausgestreckt und dadurch den Lauf des Beklagten gestört. Bei dieser Aktion seien beide Parteien zu Fall gekommen. Der Kläger sei dabei zuerst gestürzt und der Beklagte dann auf ihn. Dabei habe sich der Kläger verletzt. Es sei keine rote Karte oder sonstige Verwarnung ausgesprochen worden. Der anschließende Abbruch des Spiels sei nicht wegen des schweren Fouls, sondern im Einvernehmen beider Mannschaften wegen der schweren Verletzung des Klägers erfolgt.
Das LG hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen O., B., S. und K. Wegen des Ergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll vom 7.4.2008 (Bl. 59 ff.) Bezug genommen.
Das LG hat die Klage sodann abgewiesen, weil eine vorsätzliche rechtswidrige Körperverletzung nicht festgestellt werden könne. Nach der Rechtsprechung des BGH stelle der Geschädigte den Schädiger von der Haftung frei, wenn die zugefügte Verletzung bei regelgerechtem Spiel entstanden sei, weil beide Parteien bei einem Fußballspiel als Kam...