Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Prägung der ehelichen Lebensverhältnisse durch Unterhaltslast für nach rechtskräftiger Scheidung geborene Kinder aus einer neuen Verbindung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Unterhaltslast für aus einer neuen Verbindung hervorgegangene, nach rechtskräftiger Scheidung geborene Kinder können die ehelichen Lebensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten schon deshalb nicht mehr geprägt haben, weil sich diese für den Fall einer Wiederherstellung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft gar nicht darauf einstellen konnten.
2. Eine Anschlussberufung in Unterhaltssachen ist nach Ablauf der Berufungserwiderungsfrist nur zulässig, wenn sie auf neue tatsächliche Verhältnisse gestützt wird, die nach Ablauf der Frist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO aufgetreten sind.
Normenkette
BGB § 1578 Abs. 1 S. 1, § 1573 Abs. 5; ZPO § 524 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
AG Holzminden (Urteil vom 28.09.2006; Aktenzeichen 12 F 269/06) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das am 28.9.2006 verkündete Urteil des AG - FamG - Holzminden wird zurückgewiesen.
2. Die Anschlussberufung der Klägerin wird unter Versagung der nachgesuchten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einlegungsfrist als unzulässig verworfen.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Von den Kosten der Berufungsinstanz trägt der Beklagte 5/9, die Klägerin 4/9.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien sind durch Verbundurteil des AG - FamG - Neustadt/Rbge. vom 26.5.2000 (38/21 F 816/98 AG Neustadt/Rbge.) seit dem 8.8.2000 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Sie haben sich im Februar 1997 getrennt. Die gemeinsamen Kinder H. (geboren 1993) und R. (geboren 1995) werden von der Klägerin in ihrem Haushalt betreut. Der Beklagte hat wieder geheiratet. Aus seiner zweiten Ehe sind die Kinder M. (geboren 2001) und J. (geboren 2004) hervorgegangen.
Der Beklagte schuldet der Klägerin nach dem vorgenannten Urteil nachehelichen Unterhalt von umgerechnet monatlich 518,96 EUR (1.015 DM), davon 103,28 EUR (202 DM) Altersvorsorgeunterhalt. Den gemeinsamem Kindern hatte er nach dem Prozessvergleich vom 28.4.2004 (38 F 209/02 AG Neustadt/Rbge.) Kindesunterhalt i.H.v. 180 % des Regelbetrages abzgl. des anrechenbaren Kindergeldes zu zahlen. Für die Zeit ab Juli 2006 ist diese Unterhaltsverpflichtung im Prozessvergleich vom 28.6.2006 (38 F 30/06 AG Neustadt/Rbge.) auf einen Betrag i.H.v. 190 % des Regelbetrages abzgl. des anrechenbaren Kindergeldes abgeändert worden. Dabei waren sich die Parteien darüber einig, dass die Erhöhung schulbedingten Sonder- und Mehrbedarf erfasst.
Erstinstanzlich hat die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Abänderung des Urteils des AG - FamG - Neustadt/Rbge. vom 26.5.2000 zur Zahlung eines Unterhaltsrückstandes von insgesamt 7.760,28 EUR (Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt) für Juni 2005 bis März 2006 sowie eines monatlichen Ehegattenunterhalts von 1.302 EUR, davon 282 EUR Altersvorsorgeunterhalt, für die Zeit ab April 2006 zu verurteilen, abzgl. für April 2006 und Mai 2006 gezahlter je 518,96 EUR. Sie hat sich darauf berufen, dass im abzuändernden Urteil die damaligen Einkünfte des Beklagten als Assistenzarzt zugrunde gelegt worden sind und er inzwischen als Oberarzt tätig ist.
Das AG hat der Abänderungsklage teilweise stattgegeben und für Juni 2005 bis März 2006 insgesamt 1.400,40 EUR, davon 227,20 EUR Altersvorsorgeunterhalt, als Rückstand sowie für die Zeit ab April 2006 monatlichen Ehegattenunterhalt von 764 EUR, davon 152 EUR Altersvorsorgeunterhalt, zuerkannt. Dabei sind die vom Beklagten als Oberarzt erzielten Einkünfte eingestellt worden. Der für die gemeinsamen Kinder zu zahlende Unterhalt ist auch hinsichtlich der Zeit ab Juli 2006 mit monatlich 180 % des Regelbetrages abzgl. des hälftigen Kindergeldes zugrunde gelegt. Die Unterhaltslast des Beklagten für die Kinder aus der neuen Ehe ist bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs unberücksichtigt geblieben. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage. Dazu macht er geltend, sein beruflicher Aufstieg vom Assistenz- zum Oberarzt stelle einen sog. Karrieresprung dar und habe deshalb die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt. Darüber hinaus sei nach Maßgabe der neueren Rechtsprechung des BGH der Kindesunterhalt für M. und J. bereits bei der Ermittlung des Unterhaltsbedarfs der Klägerin in die Berechnung einzustellen.
Die Klägerin hat im Verhandlungstermin Anschlussberufung eingelegt und beantragt, den Beklagten unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils und des Urteils des AG - FamG - Neustadt/Rbge. vom 26.5.2000 zur Zahlung eines Unterhaltsrückstandes von 3.000 EUR Elementar- und 400 EUR Altersvorsorgeunterhalt für Juni 2005 bis März 2006 sowie eines monatlichen Ehegattenunterhalts von 1.050 EUR, davon 200 EUR Altersvorsorgeunterhal...