Leitsatz (amtlich)
1. Im Einzelfall kann nach sachverständiger Beratung aus dem im Sendebericht eines Faxes enthaltenen "OK"-Vermerk bezüglich der erfolgreichen Übermittlung auf einen Zugang des Faxes beim Empfänger geschlossen werden. Dem steht auch nicht entgegen, dass der "OK"-Vermerk trotz einer möglichen Fehlerquote von 10-15 % bei den übertragenen Pixel-Punkten erfolgt, da die Wahrscheinlichkeit, dass vollständige, für das Verständnis des Textes relevante Textzeilen fehlen, äußerst gering ist.
2. Kommt ein Fax mit unvollständigem Inhalt beim Versicherer an, kann er aber den Absender erkennen, so ist er nach Treu und Glauben verpflichtet, den Versicherungsnehmer hierauf hinzuweisen.
3. Für den Zugang eines Faxes genügt es, wenn die gesendeten Signale im Empfangsgerät empfangen bzw. gespeichert werden. Auf den Ausdruck des Faxes sowie die tatsächliche Kenntnisnahme kommt es grundsätzlich nicht an.
Normenkette
BGB § 130; VVG § 39 a.F.
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 20.02.2007; Aktenzeichen 2 O 130/06) |
Tenor
Unter Abänderung des am 20.2.2007 verkündeten Urteils der 2. Zivilkammer des LG Hannover wird festgestellt, dass der Lebensversicherungsvertrag mit der M. Lebensvers. AG vom 30.3.1999, Versicherungsvertrag-Nummer ..., versicherte Person: M. N., bestehend aus einer Lebensversicherung/Rentenversicherung kombiniert mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung, durch die Kündigung der Beklagten vom 18.9.2003 nicht beendet wurde, sondern ungekündigt im vereinbarten Versicherungsumfang fortbesteht.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 988,61 EUR außergerichtliche Rechtsanwaltskosten zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Feststellung des Fortbestehens einer Kapitallebens- und Rentenversicherung in Anspruch.
Ausweislich des Versicherungsscheins vom 30.3.1999 unterhielt der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der ... Lebensvers. AG, eine Lebens- und Rentenversicherung auf den Erlebensfall mit eingeschlossener Berufsunfähigkeitsversicherung (Bl. 11-15 d.A.). Der Vertrag ist mit einer Dynamikklausel verbunden, die eine Beitragserhöhung von jährlich mindestens 5 % und eine neue Festsetzung der Versicherungsleistung vorsieht. In den dem Vertrag zugrunde liegenden AVB (Bl. 58-67 d.A.) heißt es zu § 16 Ziff. 10:
"Die Erhöhung entfällt rückwirkend, wenn Sie ihr bis zum Ende des ersten Monats nach dem Erhöhungstermin widersprechen oder den ersten erhöhten Beitrag nicht innerhalb von zwei Monaten nach dem Erhöhungstermin zahlen."
Anfang 2003 belief sich der Beitrag auf 167,48 EUR monatlich. Am 27.1.2003 teilte die Beklagte dem Kläger eine Erhöhung der Versicherungsleistung sowie des Beitrages auf monatlich 192,60 EUR mit (Bl. 16 d.A.). Dieser Beitrag wurde für März 2003 vom Konto des Klägers abgebucht. Ob der Kläger der Erhöhung widersprochen hat, ist streitig. Jedenfalls widerrief der Kläger am 9./13.5.2003 den Lastschrifteinzug für die Monate April und Mai 2003 und zahlte per Überweisung nur den ursprünglichen monatlichen Betrag. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten mahnte den Kläger mit Schreiben vom 10.6.2003 zur Zahlung des rückständigen Betrages von 52,75 EUR (Bl. 20 d.A.). Weitere Zahlungen des Klägers folgten dann nicht mehr. Am 18.9.2003 kündigte die Beklagte den Vertrag wegen Zahlungsverzuges (Bl. 22 f. d.A.). In dem Schreiben heißt es weiter:
"Die Wirkungen entfallen, wenn Sie innerhalb eines Monats nach Zugang dieses Schreibens alle angemahnten Beiträge zzgl. Verzugsaufschlag zahlen. Bis zu 6 Monaten seit der Fälligkeit des ersten rückständigen Betrages kann der Vertrag durch Zahlung aller bis zum Zahlungszeitpunkt fällig gewordenen Beträge zzgl. Verzugsaufschlag wieder in der ursprünglichen Form in Kraft gesetzt werden. Voraussetzung ist stets, dass der Versicherungsfall noch nicht eingetreten ist. Trotz des Zahlungsrückstandes gibt es verschiedene Möglichkeiten, bald wieder vollen Versicherungsschutz zu erhalten. Sollte es Ihnen zur Zeit schwer fallen, die aufgelaufenen Rückstände zu begleichen, so können wir Ihnen verschiedene Angebote zur Weiterführung des Vertrages unterbreiten. Bitte setzen Sie sich deshalb mit uns in Verbindung."
Am 23.9.2003 gab es ein Telefonat zwischen dem Kläger und der Mitarbeiterin M. der Rechtsvorgängerin der Beklagten, bei dem es um die Bezahlung der rückständigen Beiträge ging. Eine Zahlung seitens des Klägers oder eine Vereinbarung mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten erfolgten nicht. Die Beklagte lehnte eine rückwirkende Wiederinkraftsetzung des Vertrages und eine Rücknahme der Kündigung mit Schreiben vom 9.7.2004 (Bl. 28 f. d.A.) und 21....