Leitsatz (amtlich)
1. Heißt es in einer Versicherungsbestätigung zu einer Transportversicherung, dass die Versicherung endet, sobald die Gelder zugunsten des Versicherten auf dem Konto des Versicherten gutgeschrieben sind, kann die Auslegung ergeben, dass nicht nur Bar, sondern auch Buchgeld versichert sein sollte.
Heißt es an anderer Stelle in der - in einer Mehrzahl früherer Fälle bereits verwendeten - Versicherungsbestätigung, dass Transporte und Lagerungen von Hartgeld und/oder Buchgeld versichert sind, so besitzen die 'alte' und die 'neue' Regelung nicht den gleichen Erklärungswert, sondern ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der 'neuen' ggü. der 'alten' eine vorrangige Bedeutung zukommt.
2. Erhält im Falle einer Versicherung für fremde Rechnung der Versicherte von dem Versicherer eine Versicherungsbestätigung, die - entgegen der Regel - nicht nur eine Information über den Inhalt der Versicherungspolice enthält, so wird dessen ungeachtet eine eigene Vertragsbeziehung zwischen Versicherer und dem Versicherten nicht begründet.
Eine solche weit reichende Versicherungsbestätigung kann über die bisher anerkannten Fälle (insbesondere Kfz. Finanzierung und Leasing) hinaus einen Sicherungsschein darstellen. Dessen ungeachtet trifft die Anfechtung des Versicherers ggü. dem Versicherungsnehmer wegen arglistiger Täuschung auch den Versicherten und erlöschen mit der Anfechtung auch dessen Rechte aus der Versicherungsbestätigung.
Normenkette
VVG § 74 ff. a.F.; BGB §§ 123, 334; AVB Transportversicherung
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 31.10.2008; Aktenzeichen 13 O 20/07) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerinnen gegen das am 31.10.2008 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des LG Hannover wird zurückgewiesen. die Klage wird insgesamt abgewiesen.
2. Die Klägerinnen haben die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithelfer zu tragen, und zwar die Klägerin zu 1 zu 97 %, die Klägerin zu 2 zu 0,8 %, die Klägerin zu 3 zu 0,4 %, die Klägerin zu 4 zu 0,3 %, die Klägerin zu 5 zu 0,3 %, die Klägerin zu 6 zu 0,1 %, die Klägerin zu 7 zu 0,1 %, die Klägerin zu 8 zu 0,1 %, im Übrigen tragen die Klägerinnen zu 9 bis 41 die Kosten zu gleichen Teilen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte oder die Streithelfer zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerinnen gehören zur sog. R. Unternehmensgruppe. Sie sind entweder Eigengesellschaften (hundertprozentige Konzerngesellschaften) oder sog. Partnergesellschaften, an denen neben R. noch weitere Gesellschafter beteiligt sind (vgl. Aufstellung Anlage K 1, gesondert geheftet). Dabei unterhalten die Klägerinnen zu 1 und 6 rechtlich unselbständige Niederlassungen, nämlich deren sechs bzw. zwei (ebenda). Gegenstand der Unternehmen der Klägerinnen ist das Betreiben von Verbrauchermärkten. Der weitaus größte Teil des behaupteten Schadens entfällt auf die Klägerin zu 1. Die behaupteten Schäden betreffen zum einen, und zwar ganz überwiegend, die Bargeldentsorgung, zum anderen die Hartgeldversorgung.
Zwischen den Klägerinnen und ihren verschiedenen Niederlassungen einerseits und Unternehmen der H. Gruppe, insbesondere der H. Transport GmbH, wurden verschiedene "Dienstleistungsverträge", "Geldtransport und Geldaufbereitungsverträge", "Rahmenverträge" usw. geschlossen (s. LGU S. 8 ff.).
Die H. Transport GmbH sowie die N. Geldbearbeitungs GmbH und weitere Unternehmen der H. Gruppe unterhielten bei der Beklagten zunächst eine sog. Transportversicherung zur PolicenNr. ... (Anlage K 110 bzw. Anlage B 27, Bl. 911 d.A.), an der die Beklagte mit einem Anteil von 30 % beteiligt war. Ab 1.12.2001 bestand eine neue Police zu der Nr. ..., die ebenfalls von der M. GmbH vermittelt worden war. In dieser, überschrieben mit "Valorenversicherung" (Anlage K 5 bzw. Anlage B 1, Bl. 273 d.A.) heißt es zum
"Gegenstand der Versicherung:
"Hartgeld, Banknoten, Schecks, Wertpapiere, Briefmarken, sämtliche Edelmetalle ..., Schmuck, handelsübliches Beleggut, Datenträger bzw. Belege und sonstige Wertgegenstände sowie Behältnisse wie Kassetten, Taschen usw. im Gewahrsam von H. sowie im Gewahrsam von von H. eingesetzten Subunternehmen, einerlei, ob die Sache Eigentum des Versicherungsnehmers oder Dritter ist, während sämtlicher Transporte, Lagerungen, Bearbeitung und sonstiger vom Versicherungsnehmer vertraglich übernommenen Tätigkeiten."
Zum "Umfang der Versicherung" ist in Ziff. 2 bestimmt:
"2.1 Versicherte Gefahren und Schäden.
2.1.1 Gedeckt sind, soweit unter Ziff. 2.2 nicht etwas anderes bestimmt ist:
2.1.1.1 Jegliche Verluste und/oder Schäden, gleichviel aus welcher Ursache, einschließlich Veruntreuung und/oder Unterschlagung durch die Versicherungsnehmerin. Mitversichert sind Schäden, verursacht durch einen früheren Angestellten der Versicherungsnehmerin, der Güt...