Leitsatz (amtlich)

Der "schwache" Insolvenzverwalter darf grundsätzlich eigene Rechtshandlungen anfechten, die er als vorläufiger Insolvenzverwalter vorgenommen hat. Das gilt nicht, wenn der Gläubiger durch schutzwürdiges Vertrauen auf dem Bestand der Rechtshandlung einen Nachteil erlitten hat.

 

Normenkette

InsO § 132 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Urteil vom 02.04.2004; Aktenzeichen 1 O 146/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 2.4.2004 verkündete Urteil des LG Hannover - 1 O 146/03 - geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 6.591,46 Euro nebst 5 % über dem Basiszins Zinsen hieraus seit dem 17.5.2003 zu bezahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.

Streitwert: 6.591,46 Euro.

 

Gründe

1. Der Beklagte erhielt nach deren Insolvenzantrag die Klagesumme von der O.-Elektro GmbH, deren derzeit vorläufiger, heute endgültiger Insolvenzverwalter der Kläger ist. Die Zahlung erfolgte für seinerzeit rückständige Ansprüche der Beklagten, die nach Zahlungserhalt die Schuldnerin weiter belieferte. Seine Zustimmung erklärte der Kläger mit dem Schreiben Anlage K 3, in dem er auf die Insolvenzsituation hinwies, und klar stellte, dass die Altforderungen lediglich Insolvenzforderungen seien, die Schuldnerin jedoch für einige Objekte auf weitere pünktliche Zulieferung angewiesen sei.

Mit vorliegender Klage hat der Kläger die Anfechtung erklärt und Rückforderung unter Fristsetzung zum 16.5.2003 verlangt.

Das LG hat die Klage abgewiesen, weil es treuwidrig sei, als vorläufiger Insolvenzverwalter zunächst der Auszahlung zuzustimmen, dann aber die eigene Rechtshandlung anzufechten.

Dagegen wendet sich die Berufung des Klägers.

2. Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.

a) Die Vereinbarung über die Auszahlung der Altschulden zur Sicherung der Lieferung durch die Beklagte ist ein Rechtsgeschäft i.S.v. § 132 Abs. 1 Nr. 2 InsO. Sie war auch eine Handlung des Schuldners, weil der Kläger in diesem Zeitpunkt als vorläufiger Insolvenzverwalter noch nicht über das Vermögen des Schuldners verfügen durfte, er mithin die Stellung eines "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalters hatte. Die Handlung ist nach dem dem Beklagten bekannten Insolvenzantrag vorgenommen worden.

b) Der Senat hat auch keinen Zweifel, dass diese anfechtbare Rechtshandlung unmittelbar zur objektiven Gläubigerbenachteiligung führte. Denn die Gläubiger des Schuldners habe keine Gegenleistung erhalten. Die Beklagte hat nicht zu Gunsten der Gläubigergemeinschaft auf Ansprüche verzichtet, insb. nicht auf solche aus Eigentumsvorbehalt. Soweit ein einfacher Eigentumsvorbehalt vereinbart worden ist, wäre der Verzicht darauf wertlos. Denn der Beklagte hat das Eigentum an den von ihm gelieferten und zum Einbau bestimmten Gegenständen durch den Einbau der Schaltanlagen verloren. Die Vereinbarung eines verlängerten Eigentumsvorbehaltes hat der Beklagte nicht vorgetragen.

c) Entgegen der Auffassung des LG hat der Kläger als vorläufiger Insolvenzverwalter keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, durch den der Beklagte von der Ausübung irgendeines Rechtes abgesehen hätte. Es ist nicht zu erkennen, dass der Beklagte heute seine Altforderung nicht mehr zur Tabelle anmelden könnte.

d) Der Ausübung der Anfechtung steht auch nicht entgegen, dass der Kläger sich widersprüchlich verhalten hätte. Der Kläger hat in seinem Schreiben v. 14.11.2001 für den Kundigen deutlich gemacht, dass ihm, ungeachtet der Billigung der Auszahlung, noch ein Anfechtungsrecht zustehen könnte. Eines deutlicheren Hinweises darauf bedurfte es ggü. dem Beklagten, der ein kaufmännisch organisierter Unternehmer ist, nicht.

e) Irrig meint der Beklagte auch, er habe durch seine Unkenntnis, denn er habe das Schreiben nicht recht verstanden, Nachteile erlitten. Solche Nachteile sind nicht zu erkennen.

Sicherungseigentum hat der Beklagte aus den dargestellten Gründen nicht verloren, seine Insolvenzforderung kann er immer noch zur Tabelle anmelden. Er steht nicht anders dar, als wenn der Kläger die Erklärungen nicht abgegeben hätte und das Geld an ihn, dem Beklagten, nicht ausgezahlt worden wäre. Ohne das hier in Rede stehende Verhalten des Klägers hätte das Beklagte das Geld nicht erhalten und bräuchte es nicht zurückzuzahlen. Eine Verschlechterung seiner Situation ist dadurch nicht entstanden. Das entzieht den Überlegungen des LG zur Treuwidrigkeit des Verhaltens des Klägers den Boden. Selbst wenn der Kläger einen Vertrauenstatbestand geschaffen hätte, dann doch nicht darauf, dass der Beklagte zu Lasten der übrigen Gläubiger bevorzugt würde, allenfalls - und dieser Fall liegt hier nicht vor - dahingehend, dass dem Beklagten durch das Vertrauen auf die Erklärungen des Klägers kein weiterer Schaden entstünde.

Dieses Verständnis des Senates ist bereits die Grundlage der Entscheidung (OLG Celle v. 29.10.2002 - 13 U 56/02). Schon da hat der Senat zwar festgestellt, dass ein Insolvenzverwalter treuwidrig handeln kann, wenn er im Eröffnungsverfahren als vorläufiger Insolvenzverwalter Verbind...

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