Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachschusspflicht bei Publikumspersonengesellschaft aufgrund gesellschaftsrechtlicher Treuepflicht
Leitsatz (amtlich)
1. Sieht der Gesellschaftsvertrag einer Publikumspersonengesellschaft vor, dass die Unwirksamkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung binnen einer bestimmten Frist gerichtlich angefochten werden muss, gilt für dieses der Beschlussanfechtungsklage des Kapitalgesellschaftsrecht nachgebildete Verfahrenserfordernis die Differenzierung zwischen Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründen. Unheilbar nichtige Beschlüsse unterliegen nicht dem Erfordernis einer befristeten Beschlussanfechtung.
2. Eine mit der Berufungserwiderung erfolgte Eventualklagehäufung, durch die die Klageforderung hilfsweise auf einen neuen Streitgegenstand gestützt werden soll (hier: abgetretene Forderung), ist einer Klageänderung gem. § 533 ZPO gleichzustellen.
3. Den an einem geschlossenen Immobilienfonds beteiligten Kapitalanleger kann als Personengesellschafter eine Nachschusspflicht mangels hinreichend konkreter vertraglicher Vereinbarung nur ausnahmsweise aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht treffen. Dafür reicht es nicht aus, dass die Nichterbringung einer Nachschusszahlung zur Auflösung der Gesellschaft führt. Ein Zumutbarer sanierender Verlustausgleich statt einer Liquidation kann gesellschaftsrechtlich geboten sein, wenn bei einem Vergleich der alternativen Haftungsbelastungen unter Berücksichtigung des berechtigten Interesses an Wahrung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit die Zerschlagung wirtschaftlicher Chancen ökonomisch sinnlos ist.
Normenkette
BGB §§ 157, 707; ZPO § 533
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 14.06.2005; Aktenzeichen 5 O 176/05) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Verden vom 14.6.2005 abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten zuvor Sicherheit i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages geleistet haben.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die klagende OHG nimmt die Beklagten als Gesellschafter auf Zahlung eines Nachschusses in Anspruch; die Beklagten sind an der OHG über einen Treuhänder beteiligt.
Die Beklagten haben im Oktober/November 1997 ihren Beitritt zu dem von der Klägerin betriebenen geschlossenen Immobilienfonds Wohnanlage K. erklärt. Sie zeichneten eine Einlage i.H.v. 201.200 DM. Im Text der Beitrittserklärung wird der Gesellschaftsvertrag "anerkannt". Außerdem wird die Kenntnisnahme von der Möglichkeit einer Nachschussverpflichtung bekundet. Diese Nachschussverpflichtung ist in § 8 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrages festgelegt. Im Außenverhältnis haften die als Kapitalanleger auftretenden Gesellschafter für Verbindlichkeiten ggü. ihren Gläubigern persönlich, jedoch ist die vertretungsberechtigte Gesellschafterin verpflichtet, diese Haftung vertraglich so zu beschränken, dass nur quotal entsprechend der Beteiligung gehaftet wird.
Zur alleinigen Geschäftsführung und Vertretung ist im Gesellschaftsvertrag eine Verwaltungsgesellschaft bestimmt, die zugleich Gesellschafterin der OHG ist. Im Protokoll einer Gesellschafterversammlung vom 2.3.2001 sind der Sanierungsbedarf der Gesellschaft und deren Gründe sowie die Notwendigkeit einer Kapitalerhöhung, hilfsweise der Einforderung eines Nachschusses, dargelegt. Auf der Gesellschafterversammlung vom 12.3.2004 ist mehrheitlich beschlossen worden, dass die Gesellschafter insgesamt einen Nachschuss i.H.v. 1.315.233 EUR erbringen sollen. Der quotenmäßige Anteil der Beklagten am Gesamtbetrag der Nachzahlung i.H.v. 13.198,47 EUR wird mit der Klage geltend gemacht. Das LG hat der Klage stattgegeben. Wegen des weiteren Vorbringens erster Instanz und der Entscheidungsgründe des LG wird auf das Urteil des LG Bezug genommen.
Die Beklagten machen mit der Berufung geltend, die Nachschussverpflichtung aus § 8 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrages in Verbindung mit dem Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 12.3.2004 sei unwirksam, weil es an hinreichender Bestimmtheit fehle. Aufgrund gesellschaftsrechtlicher Treuepflicht bestehe ebenfalls keine Nachschussverpflichtung. Die Beklagten nehmen ergänzend Bezug auf das Urteil des Senats vom 17.8.2005 (9 U 33/05), das über einen identischen Sachverhalt betreffend einen anderen Gesellschafter bei Identität der Prozessbevollmächtigten entschieden hat.
Die Beklagten beantragen, das am 14.6.2005 verkündete Urteil des LG Verden (5 O 176/05) aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt dafür ihren erstinstanzlichen Vortrag. Hilfsweise stützt sie den Zahlungsanspruch nunmehr i.H.v. 9.652,26 EUR auf abgetretene Forderungen der B. Hypoth...