Leitsatz (amtlich)
1. Sinn und Zweck des § 2 Abs. 3 VOB/B ist es, sicherzustellen, dass sich Leistung und Gegenleistung auch bei einer Überschreitung der im Einheitsvertrag vorgesehenen Mengen angemessen gegenüberstehen. Maßstab ist dabei nicht der übliche Preis, sondern der ursprüngliche Angebotspreis.
2. Die Berechnung des neuen Preises für die über 10 % hinausgehende Überschreitung des Mengenansatzes richtet sich gem. § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nach den Preisermittlungsgrundlagen des bisherigen Einheitspreises. Verlangt der Auftraggeber eine Herabsetzung des Einheitspreises, so hat der Auftragnehmer ihm die dem vereinbarten Einheitspreis zugrundeliegende Kalkulation offenzulegen.
3. Bei einer Herabsetzung des Einheitspreises hat eine Anpassung des Angebotspreises nur insoweit zu erfolgen, als sich durch die Mengenmehrung Kostenersparnisse ergeben haben.
4. Stellt sich der kalkulierte Preis als unrealistisch dar, ist auf der Grundlage einer nach Treu und Glauben auszurichtenden Vertragsauslegung ein fairer neuer Preis zu bilden; dabei ist zu fragen, was die Parteien redlicherweise vereinbart hätten, wenn sie die veränderten Umstände (hier die Mengenerhöhung) bei Vertragsabschluss gekannt hätten.
Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 14 O 161/16) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 3. Mai 2017 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise geändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.454,01 EUR nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24. Oktober 2015 zu zahlen.
Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin Nebenkosten (vorgerichtliche Anwaltsgebühren) von 474,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. November 2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat vorab die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Braunschweig entstandenen Kosten zu tragen. Im Übrigen haben die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz die Klägerin zu 87 % und der Beklagte zu 13 % zu tragen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens (bei einem Streitwert von bis 22.000 EUR) tragen zu 87 % die Klägerin und zu 13 % der Beklagte.
Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Beschwer für die Parteien: jeweils unter 20.000 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung eines restlichen Werklohns aus einem VOB-Einheitspreisvertrag in Anspruch.
Die Klägerin war im Mai 2013 in Bezug auf das Bauvorhaben des Beklagten in B., Museumstraße 1, mit dem Gewerk "Abbrucharbeiten" beauftragt worden (s. Anlage K2). Dem lag das Angebot der Klägerin vom 2. April 2013 zugrunde; dort hatte sie die unter der Position 02.02.0050 erfasste Leistung "Entsorgung von Bauschutt, Abfallschlüssel-Nr. 170106" bei einer vorgegebenen Menge von 1,0 Tonne zu einem Einheitspreis von 462,00 EUR/t netto angeboten (s. Anlage K1). Unstreitig wurden zum Abfallschlüssel Nr. 170106, der sich auf Bauschutt mit gefährlichen Stoffen bezieht, insgesamt 83,92 Tonnen entsorgt. In ihrer Schlussrechnung vom 23. September 2015 hatte die Klägerin demzufolge unter der Position 02.02.0050 einen Betrag von 38.771,13 EUR netto (83,92 × 462 EUR) abgerechnet. Anlässlich der Prüfung der Schlussrechnung wurde seitens des Beklagten diese Rechnungsposition auf einen Betrag von 9.221,47 EUR netto reduziert (s. Anlage K5), wobei ein Einheitspreis von 109,88 EUR netto je Tonne zugrunde gelegt wurde. Dieser Einheitspreis geht auf ein Schreiben des Planungsbüros des Beklagten vom 28. Februar 2014 zurück (s. Anlage K4).
Da die Klägerin der Ansicht ist, dass für die gesamte angefallene Menge der im Vertrag bestimmte Einheitspreis von 462 Tonnen maßgeblich sei, hat sie den Beklagten im Klagewege unter Berücksichtigung bereits erbrachter Zahlungen auf Zahlung von 33.208,25 EUR in Anspruch genommen.
Wegen der näheren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts (Bl. 135ff. GA) Bezug genommen.
Das Landgericht hat durch Urteil vom 3. Mai 2017 der Klage nur hinsichtlich eines Betrages von 1.604,39 EUR stattgegeben und sie ansonsten abgewiesen. Nach Ansicht des Gerichts könne...