Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Insolvenzverwalters auf Rückzahlung einer Vorauszahlung für wegen der Corona-Pandemie abgesagten Messe nicht genutzten Hotelzimmer; Rückzahlungsanspruch wegen Unmöglichkeit; Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung
Normenkette
BGB §§ 313, 326, 346, 812; EGBGB Art. 240 § 7 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 08.12.2021; Aktenzeichen 7 O 190/20) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 8. Dezember 2021 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger hat als Insolvenzverwalter über das Vermögen der L. GmbH & Co. KG (im Folgenden als Insolvenzschuldnerin bezeichnet) von der Beklagten die Rückzahlung einer Vorauszahlung von 15.440,00 EUR für Hotelzimmer, die wegen der Corona-Pandemie abgesagten H. Messe im April 2020 nicht genutzt wurden, verlangt.
Hinsichtlich der erstinstanzlichen tatsächlichen Feststellungen und der gestellten Anträge wird Bezug genommen auf das am 08.12.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Hannover (Bl. 143 ff. d.A.), § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 7.522,00 EUR verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Kläger könne die Rückzahlung der hälftigen Buchungskosten in Höhe von 7.720,00 EUR gemäß §§ 346, 313 BGB beanspruchen. Mit der Corona-Pandemie sei im Vertragsverhältnis der Beklagten und Insolvenzschuldnerin eine Störung der Geschäftsgrundlage eingetreten. Für eine solche Annahme spreche auch der Inhalt des neu geschaffenen Art. 240 § 7 Abs. 1 EGBGB. Diese Krise habe sich bei der Insolvenzschuldnerin verwirklicht und damit die Geschäftsgrundlage nach Vertragsschluss schwerwiegend zu ihren Lasten verändert. Ein unverändertes Festhalten am Vertrag sei ihr nicht zumutbar. Dabei komme der vertraglichen Risikoverteilung besondere Bedeutung zu. Zwar falle das Risiko, dass der Anlass der Reise, also die H. Messe, wegfalle und die Insolvenzschuldnerin deshalb keine Verwendung mehr für die Hotelzimmer habe, als bloße Störung des Verwendungszwecks grundsätzlich in ihren Risikobereich; zu beruflichen Zwecken habe die Beklagte seinerzeit Beherbergungsmöglichkeiten anbieten dürfen. Dies berücksichtige aber nicht hinreichend, dass sich im Streitfall mit einer weltweiten Pandemie ein außergewöhnliches Risiko verwirklicht habe, das nicht mehr eindeutig in den Risikobereich einer Partei falle. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte die Durchführung der Messe ihrerseits in ihre Preisgestaltung aufgenommen habe. Unstreitig bestimme die Durchführung der Messe den Preis als wertbildender Faktor. Mit Absage der Messe habe sich der Markt grundlegend verändert, ohne dass dies für eine Partei vorhersehbar oder beherrschbar gewesen wäre. Diese Situation sei nicht mehr dem Risikobereich einer Partei zuzuordnen, was für eine Risikoteilung spreche. Da keine Partei eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt habe und für die Kammer auch keine Gründe für eine anderweitige Aufteilung ersichtlich seien, sei es angemessen, das von keiner Partei zu tragende Pandemierisiko auf beide Parteien je zur Hälfte zu verteilen. Die im Rückgewährschuldverhältnis vereinbarte Stornierungsgebühr von 100 % des Zimmerpreises unter Anrechnung ersparter Aufwendungen werde dem nicht gerecht.
Auch habe die Insolvenzschuldnerin zuvor keine Vertragsbeendigungserklärung gegenüber der Beklagten abgegeben. Zwar habe sie sich vor ihrem mit E-Mail vom 16.04.2020 erklärten Rücktritt bei der Beklagten über Möglichkeiten zur Weitervergabe/Stornierung der Zimmer erkundigt. Eine vorherige Erklärung auf Vertragsbeendigung habe sie jedoch nicht abgegeben.
Das Landgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Rückzahlung weiterer 7.720,00 EUR verneint. Ein solcher ergebe sich nicht aus einem vertraglichen Stornierungsrecht i.V.m. § 346 BGB. Das Stornierungsrecht sei mit einer Stornierungsgebühr von 100 % unter Anrechnung ersparter Aufwendungen verknüpft, sodass hieraus kein Anspruch auf vollständige Rückzahlung der Vorauszahlung bestehe. Auch aus §§ 346, 326 Abs. 1 Abs. 4 BGB stehe dem Kläger kein Rückzahlungsanspruch zu. Durch die Absage der H. Messe sei der Beklagten die Erbringung ihrer Leistung nicht objektiv oder subjektiv unmöglich geworden. Die Durchführung der Messe sei nicht zum Vertragsinhalt geworden, die Buchung hätte nicht nur unter der Voraussetzung der Durchführung der Messe Wirksamkeit erlangen sollen. Im Beherbergungsvertrag sei im wesentlichen Mietrecht anwendbar. Danach trage der Mieter im Grundsatz uneingeschränkt das Verwendungsrisiko. Anhaltspunkte d...