Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbarkeit der §§ 198, 199 GVG bei Altverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Anwendbarkeit der §§ 198, 199 GVG bei Altverfahren
2. Allein die überlange Verfahrensdauer eines Strafverfahrens stellt noch keine derartig schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, dass bei schuldhaftem Handeln der Strafverfolgungsbehörden ein Anspruch auf Amtshaftung begründet wird.
Normenkette
GVG §§ 198-199; BGB § 839
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von dem Beklagten im Wesentlichen Entschädigung wegen überlanger Dauer eines gegen ihn gerichteten Strafverfahrens. Gegen den Kläger wurden seitens der Staatsanwaltschaft ... seit dem 3.2.2000 Ermittlungen durchgeführt, die am 18.12.2001 zu einer Anklage wegen Geldwäsche in Tateinheit mit versuchtem Betrug sowie einer versuchten Strafvereitelung geführt haben. Das Hauptverfahren gegen den Kläger wurde am 2.12.2002 und nach Zurückversetzung des Verfahrens in den Stand vor Eröffnung des Hauptverfahrens wegen erforderlicher Nachholung rechtlichen Gehörs erneut am 27.1.2009 eröffnet. Die Hauptverhandlung vor dem LG ... begann am 16.2.2009. Nach 14 Verhandlungstagen wurde der Kläger am 20.5.2009 freigesprochen. Das Urteil ist seit dem 28.5.2009 rechtskräftig.
Unter dem 15.5.2010 hat der Kläger wegen der Dauer des Verfahrens eine Entschädigung von 20.000 EUR geltend gemacht. Dieser Anspruch ist vom Präsidenten des LG ... am 29.12.2010 abgelehnt worden.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Grundsatzentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 13.11.2008 die Grundlage für den von ihm geltend gemachten Entschädigungsanspruch darstelle. Er beruft sich zudem auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 3.3.2011, in der auf Betreiben einer ursprünglich Mitangeklagten die überlange Dauer des Verfahrens festgestellt worden ist. Zudem ist er der Ansicht, der geltend gemachte Entschädigungsbetrag lasse sich auch aus Amtspflichtsverletzung herleiten.
Der Kläger beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 21.000 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 30.12.2010, sowie zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 795,20 EUR zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die ursprünglich beim LG ... erhobene Klage ist von dort durch Beschluss vom 7.3.2012 an das OLG verwiesen worden. Dabei hat die Kammer ausdrücklich den Rechtsstreit, auch soweit der Kläger sich eines Amtshaftungsanspruchs berühmt, verwiesen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Dem Kläger steht zunächst kein Anspruch gem. § 199 i.V.m. § 198 GVG wegen überlanger Dauer des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens zu. Diese Anspruchsgrundlage kommt gem. Art. 23 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zwar auch bei schon zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Gesetzes am 3.12.2011 abgeschlossenen Verfahren in Betracht. Voraussetzung ist jedoch, dass die Dauer des Verfahrens beim In-Kraft-Treten des Gesetzes Gegenstand einer anhängigen Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist oder noch werden konnte. Dies ist hier nicht der Fall. Der Kläger hat nicht innerhalb von sechs Monaten (vgl. Art. 35 Abs. 1 EMRK) nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung - dies ist der Freispruch durch das LG ... am 20.5.2009 - Klage zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erhoben. Entgegen seinem Vorbringen wäre ihm dies aber möglich gewesen. Zwar vermochte der Kläger gegen das Urteil des LG ... vom 20.5.2009 mangels Beschwer keine Beschwerde zu erheben. Gleichwohl hätte er mit der Individualbeschwerde nach Art. 34 EMRK eine Verletzung des Art. 6 EMRK rügen und die Unangemessenheit der Verfahrensdauer feststellen lassen können. Dies hat er unterlassen. Dass ein solches Verfahren von der ehemaligen Mitangeklagten des Klägers angestrengt worden ist, genügt für den vom Kläger selbst geltend gemachten Anspruch nicht. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 3.3.2011 wirkt nur zwischen den an dem dortigen Verfahren beteiligten Parteien. Sie kann auch aufgrund der unterschiedlichen Verfahrensläufe der Strafverfahren keine präjudizielle Wirkung entfalten.
2. Die Klage hatte auch unter dem Gesichtspunkt eines Anspruchs aus Amtshaftung keinen Erfolg.
Die Verweisung des LG an das OLG umfasste lediglich die Geltendmachung von Ansprüchen auf Entschädigung wegen immaterieller Schäden. Hierfür...