Leitsatz (amtlich)
Wenn im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung von Bauunternehmer und Architekt (BGHZ 43, 227) der Bauherr einen von beiden in Anspruch nimmt, ist eine etwaig im Innenverhältnis der Gesamtschuldner bestehende Ausgleichspflicht für den Anspruch des Bauherrn ggü. dem von ihm in Anspruch genommenen Schuldner unmaßgeblich. Er kann grundsätzlich die volle Leistung von der einen oder anderen Seite verlangen, § 421 BGB. Eine ggf. auch von sachverständiger Seite vorgenommene Quotelung der Verursachungsbeiträge ist hierbei unbeachtlich.
Normenkette
BGB §§ 421, 426
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 17.06.2005; Aktenzeichen 4 O 136/03) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Hannover vom 17.6.2005 wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Beklagten wird das angefochtene Urteil abgeändert und neu gefasst wie folgt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 119.133,27 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin macht ggü. dem Beklagten eine - unstreitige - Architektenhonorarforderung i.H.v. 141.475,74 EUR geltend für ihre Leistungen im Rahmen der Errichtung eines Altenzentrums in H.-W. Der Beklagte rechnet demgegenüber mit - streitigen - Schadensersatzforderungen auf.
Hinsichtlich dieser Gegenforderungen und der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird Bezug genommen auf das angefochtene Urteil (Bl. 560 f. d.A.).
Das LG hat der Klage i.H.v. 84.143,27 EUR stattgegeben, weil es Gegenforderungen i.H.v. insgesamt 57.332,47 EUR bejaht hat (vgl. im Einzelnen LGU 6 bis 11, Bl. 565 f. d.A.). Dabei ist die Kammer auf der Grundlage eines von ihr eingeholten Sachverständigengutachtens davon ausgegangen, dass eine Pflichtwidrigkeit der Klägerin zu 20 % für entstandene Mangelfolgekosten, die auf einer mangelhaften Bauaufsicht der Klägerin beruhten, ursächlich geworden ist. Das LG hat deshalb unter Ansatz einer "Ursachenquote von 20 %" von den einzelnen Gegenforderungen - mit Ausnahme der für die Umplanung der Wände in den Schlafzimmern - jeweils 1/5 zugesprochen (vgl. LGU 8 bis 11). Darüber hinaus hat es einen Schadensersatzanspruch des Beklagten ggü. der Klägerin wegen der Umplanung der Schlafzimmerwände in den Wohnungen des Altenzentrums i.H.v. 34.990 EUR bejaht (LGU 7).
Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit der Berufung:
Die Klägerin ist der Ansicht, das LG habe zu Unrecht die Gegenforderung i.H.v. 34.990 EUR für begründet gehalten. Ein Schadensersatzanspruch wegen der vermeintlich geschuldeten lichten Weite der Wände an den Schmalseiten der Schlafzimmer stehe dem Beklagten nicht zu. Insoweit sei das angefochtene Urteil abzuändern. Darüber hinaus ist die Klägerin der Auffassung, dass der Aufrechnung des Beklagten ein Aufrechnungsverbot gem. § 4.5 AVA entgegenstehe.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger weitere 34.990 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.1.2003 zu zahlen.
Der Beklagte verteidigt demgegenüber - insoweit - das angefochtene Urteil und beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Darüber hinaus beantragt der Beklagte, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, die Klägerin hafte - unabhängig von einem etwaigen späteren Gesamtschuldnerinnenausgleich - ihm ggü. zu 100 % und habe deshalb insb. für die durch die mangelhafte Sockelabdichtung verursachten Schäden einzustehen. Die Klägerin habe ihre Verpflichtung zur Bauaufsicht grob verletzt bzw. überhaupt nicht wahrgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
II. Von den je zulässigen Berufungen ist nur die des Beklagten begründet. Denn die Klage ist unbegründet. Aufgrund der Aufrechnung des Beklagten mit Schadensersatzforderungen ist die Hauptforderung der Klägerin insgesamt erloschen.
1. Die Berufung der Klägerin ist unbegründet:
a) Die Aufrechnung des Beklagten ist nicht gem. § 4.5 AVA unzulässig. Danach soll eine Aufrechnung gegen den Honoraranspruch der Klägerin nur mit einer unbestrittenen - was hier nicht der Fall ist - oder rechtskräftig festgestellten - was ebenfalls noch nicht der Fall ist - Forderung zulässig sein (vgl. Anlage K 5, Bl. 21 d.A.). Das LG hat sich mit dieser Frage nicht weiter auseinander gesetzt und ohne weiteres zur Gegenforderung Beweis erhoben. Auf der Grundlage der danach vorhandenen Feststellungen ist der Rechtsstreit - wie noch im Einzelnen darzulegen ist - nun auch zu den Gegenforderungen entscheidungsreif. Denn die Parteien streiten ...