Entscheidungsstichwort (Thema)
Deliktische Haftung für nach Offenlegung des Dieselabgasskandals erworbene Dieselfahrzeuge
Leitsatz (amtlich)
1. Die Sittenwidrigkeit des Handelns der Beklagten, die eine Prüfstanderkennungssoftware installiert und hierdurch das Kraftfahrtbundesamt sowie alle zukünftigen Fahrzeugerwerber getäuscht hatte, endet mit der Offenlegung dieses Sachverhalts im Herbst 2015. Käufer eines betroffenen PKW, die ihr Fahrzeug nach diesem Zeitpunkt erworben haben, können die Beklagte als Motorherstellerin daher nicht (mehr) aus Delikt in Anspruch nehmen.
2. Nachdem das Software-Update für die betroffenen Fahrzeuge vom Kraftfahrtbundesamt freigegeben worden ist, weil keine unzulässige Abschalteinrichtung festge-stellt wurde und die vorhandenen Abschalteinrichtungen als zulässig eingestuft worden sind, kann eine deliktische Haftung auch nicht allein auf die Behauptung ge-stützt werden, das Update enthalte gleichwohl eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. d. Artikel 5 Abs. 2 Nr. 1 VO (EG) 715/2007, die betroffenen Fahrzeuge seien auch nach dem Aufspielen des Updates nach wie vor nicht zulassungsfähig.
Normenkette
BGB § 826; EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1; EGV 721/2007 Art. 5 Abs. 2 Nr. 1; StGB § 263; UWG § 16
Verfahrensgang
LG Verden (Aller) (Urteil vom 21.11.2018; Aktenzeichen 5 O 119/18) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 21. November 2018 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil sowie das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz anlässlich des Erwerbs eines von der Beklagten hergestellten Kraftfahrzeugs in Anspruch.
Sie erwarb mit Kaufvertrag vom 21. Februar 2017 einen gebrauchten VW Tiguan 2,0 TDI von der Autohaus B. GmbH (ehemalige weitere Beklagte) zu einem Kaufpreis in Höhe von 21.000 EUR (Anlage K3, Bl. 70 d.A.). Ausweislich des Vertrages war das Fahrzeug erstmals am 22. Januar 2013 zugelassen.
Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor vom Typ EA 189 ausgestattet, welcher in Deutschland den sog. "VW-Dieselabgasskandal" ausgelöst hat. Das vom Kraftfahrt-Bundesamt am 1. Juni 2016 für Fahrzeuge vom Typ VW Tiguan 2,0 l TDI freigegebene Software-Update wurde an dem Fahrzeug schon vor dem Kauf an die Klägerin, nämlich am 14. Oktober 2016 vorgenommen (Bl. 364 d.A.).
Unter Hinweis auf den sog. VW-Abgasskandal forderte die Klägerin die Autohaus B. GmbH sowie die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 16. März 2016 zur Rückabwicklung des Kaufvertrages auf (Anlage K5, Bl. 72 ff. d.A.).
Da die Beklagte hierzu nicht bereit war, hat die Klägerin sie im Klagewege auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Dabei ist die Klägerin zunächst auch gegen die Autohaus B. GmbH vorgegangen, hat ihre Klage insofern jedoch noch in erster Instanz zurückgenommen.
Gegenüber der Beklagten verfolgt die Klägerin ihr Schadensersatzbegehren weiter, wobei sie den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsvergütung nebst Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten (zurück-)verlangt und zudem die Feststellung begehrt hat, dass die Beklagte sich mit der Rücknahme des PKW VW Tiguan im Annahmeverzug befinde sowie für alle weiteren Schäden einzustehen habe, die aus der Manipulation des Motors oder entsprechenden Behebungsmaßnahmen folgten.
Die Klägerin hat vorgebracht, ihr sei es gerade auf ein besonders umweltfreundliches Fahrzeug angekommen. Sie sei von der Richtigkeit der Prospektangaben in den einschlägigen Katalogen sowie - u.a. aufgrund verschiedener Presseerklärungen der Beklagten - davon ausgegangen, dass das Fahrzeug seit dem Aufspielen des Software-Updates mangelfrei sei. Tatsächlich erfülle der PKW VW Tiguan aber nach wie vor nicht die gültigen Abgasnormen und habe durch das Update zudem weitere Beeinträchtigungen erfahren. Jedenfalls bestehe ein entsprechender "Mangelverdacht", der sich seinerseits nachteilig auf den Wiederverkaufspreis des Fahrzeugs auswirke. In Kenntnis der Auswirkungen des Software-Updates hätte sie das Fahrzeug nicht gekauft.
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 21. November 2018 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der Klägerin die geltend gemachten Schadensersatzansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustünden.
Wegen des Sach- und Streitstandes sowie wegen der Entscheidungsgründe wird im Übrigen auf das Urteil des Landgerichts vom 21. November 2018 (Bl. 254 ff. d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer fristgerecht eingelegten Berufung, mit der sie an ihrem erstinstanzlichen Begehren bis auf den Feststellungsantrag bzgl. der Einstandspflicht der Beklagten für weitere Sch...