Leitsatz (amtlich)
Ein ohne Zustimmung des sorgeberechtigten Elternteils eingeholter Vaterschaftstest begründet wegen Verstoßes gegen das Recht des Kindes auf informationelle Selbstbestimmung keinen Anfechtungsverdacht für eine Vaterschaftsanfechtungsklage.
Verfahrensgang
AG Hildesheim (Urteil vom 04.03.2003; Aktenzeichen 37 F 37525/02) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung gegen das am 4.3.2003 verkündete Urteil des AG – FamG – Hildesheim wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ficht die – anerkannte – Vaterschaft zur Beklagten an.
Wegen der Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das AG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe einen Anfechtungsverdacht nicht schlüssig dargelegt. Der von ihm heimlich eingeholte DNA-Vaterschaftsnachweis, nach dem er von der Vaterschaft zur Beklagten ausgeschlossen ist, sei nicht verwertbar, weil die einem von der Beklagten benutzten Kaugummi anhaftende Speichelprobe ohne Zustimmung der allein sorgeberechtigten Mutter untersucht worden sei und deshalb das Untersuchungsergebnis wegen Verstoßes gegen das Recht der Beklagten auf informationelle Selbstbestimmung sowie gegen Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes nicht verwertbar sei.
Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger gegen die rechtliche Beurteilung durch das AG und beantragt, festzustellen, dass der Kläger nicht der Vater der Beklagten ist.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
II. Die Berufung ist nicht begründet.
Der Senat teilt die Rechtsansicht des AG, dass die Klage zulässig ist, insb. die Rechtskraft des zwischen den Parteien ergangenen Senatsurteils vom 9.8.2002 (OLG Celle, Urt. v. 9.8.2002 – 15 UF 42/02 = AG Hildesheim – 37 F 38554/01) nicht entgegen steht, weil für die Rechtskrafterstreckung eines in einem vorangegangenen Anfechtungsverfahren ergangenen Urteils auf den darin zu Grunde gelegten Lebenssachverhalt abzustellen ist. Wird die Vaterschaftsanfechtungsklage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe keinen hinreichenden Anfechtungsverdacht vorgetragen, so ist über die Abstammung nicht entschieden worden, und eine erneute Anfechtungsklage kann auf neue, nach der letzten mündlichen Verhandlung des Vorprozesses hervorgetretene Umstände gestützt werden (BGH v. 30.10.2002 – XII ZR 345/00, MDR 2003, 218 = BGHReport 2003, 224 = FamRZ 2003, 155 ff.). So liegt die Sache hier. Die Rechtskraft des genannten Senatsurteils erstreckt sich allein darauf, dass die dem Kläger 2001 attestierte verminderte Zeugungsfähigkeit bei objektiver Betrachtung nicht geeignet ist, den für die Erhebung einer Anfechtungklage erforderlichen Anfangsverdacht zu begründen. Dem ggü. handelt es sich bei der Tatsache, dass der Kläger nach dem außergerichtlich eingeholten DNA-Vaterschaftsnachweis von der Vaterschaft ausgeschlossen ist, um einen anderen Lebenssachverhalt.
Ebenso wie das AG vertritt der Senat die Auffassung, dass das Ergebnis des vorgelegten DNA-Vaterschaftsnachweises nicht geeignet ist, Zweifel an der Vaterschaft zu wecken und die Möglichkeit der nichtehelichen Abstammung als nicht ganz fernliegend erscheinen lassen.
Das hat seine Ursache einmal darin, dass der vorgelegte Vaterschaftsnachweis entgegen den Richtlinien für die Erstattung von Abstammungsgutachten (OLG Celle FamRZ 2002, 1159 ff.) keinerlei Identitätsfeststellung der untersuchten Personen enthält, sodass überhaupt nicht feststeht, ob das untersuchte Material von den Parteien stammt. Würde ein solcher privat eingeholter Vaterschaftstest ohne Identitätsnachweis für einen hinreichenden Anfechtungsverdacht ausreichen, könnte jeder Kläger seinem Auftrag für einen Vaterschaftstest Proben beliebiger Personen, die mit einander nicht verwandt sind, beifügen, um die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung der Vaterschaft zu erhalten.
Darüber hinaus ist das Ergebnis des heimlich eingeholten DNA-Vaterschaftsnachweises prozessual deswegen nicht zu verwerten, weil das genetische Material der Beklagten in rechtswidriger Weise erlangt worden ist.
Eine zivilprozessuale Regelung bezüglich eines Beweisverwertungsverbotes besteht nicht. Aus dem verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht heraus ist die Existenz von Beweisverwertungsverboten anerkannt (Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 286 Rz. 15; Prütting in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 284 Rz. 63 ff.; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 284 Rz. 54 ff.; Musielak/Foerste, ZPO, 3. Aufl., § 286 Rz. 6). Nach der Rspr. des BVerfG (BVerfG v. 9.10.2002 – 1 BvR 1611/96, 1 BvR 805/98, FamRZ 2003, 21 [24]) sind die Gerichte nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung verpflichtet. Sowohl aus dem Rechtsstaatsprinzip wie auch aus