Leitsatz (amtlich)
1. Bei Warmblut-Reitpferden stellen sklerotische Veränderungen der Wirbelsäule als solche - ohne in Erscheinung tretende Beschwerden- keinen Sachmangel gem. § 434 Abs. 1 BGB dar.
2. Für eine nach Übergabe erstmals auftretende Rückensymptomatik (Schmerzempfindlichkeit, muskuläre Verspannungen) gilt von der Art des Mangels her die Vermutung des § 476 BGB nicht.
Normenkette
BGB §§ 434, 476
Verfahrensgang
LG Lüneburg (Urteil vom 29.09.2005; Aktenzeichen 4 O 204/04) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 29.9.2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Lüneburg wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Wert der Beschwer: unter 20.000 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Reitpferd sowie Ersatz der ihr durch Unterstellung pp. entstandenen Kosten sowie schließlich Feststellung seiner Schadensersatzpflicht für Zukunftsschäden und des Annahmeverzuges.
Beide Parteien sind Tierärzte. Die Klägerin ist zusätzlich Diplom-Pferde-Physiotherapeutin.
Der Beklagte veräußerte durch Vertrag vom 26.9.2003 die von ihm selbst gezogene Trakehnerstute "L." zum Preis von 7.500 EUR an die Klägerin. Die Klägerin hatte das Pferd zuvor zumindest einmal probegeritten. Die Parteien vereinbarten eine Ankaufuntersuchung durch den Tierarzt S., die bereits am Tag zuvor, dem 25.9.2003, erfolgte. Die Klägerin übernahm die Stute am 1.10.2003 und entrichtete den Kaufpreis.
Mit Schreiben vom 26.2.2004 wandte die Klägerin sich an den Beklagten und beanstandete, die Stute habe von Anfang an leider nicht die Entwicklung gezeigt, die sie erwartet habe. Sie habe die weitere Untersuchung nun in tierärztliche Hand übergeben. Hierüber verhält sich eine tierärztliche Bescheinigung des auch die Ankaufuntersuchung durchführenden Tierarztes S. vom 12.3.2004, wonach dieser die Stute am 20.2.2004 untersuchte und dabei eine mittelgradige Hyperästhesie der langen Rückenmuskulatur im Bereich der Sattellage und Lende beidseitig vorfand. Das Pferd sei im Trab hochgradig verspannt, das Untertreten hinten beidseits deutlich verkürzt. Eine Röntgenuntersuchung der Dornfortsätze in der Sattellage habe deutlich enge Zwischenräume mit drei Verdichtungszonen im Randbereich (Kissing-spines) ergeben. Nach Durchführung einer lokalen antiplogistischen Behandlung der drei Dornfortsatzzwischenräume sei nach einer Woche keine Überempfindlichkeit der langen Rückenmuskulatur mehr festzustellen gewesen, das Untertreten im Trab sei ohne Einschränkung erfolgt und die Rückenschwingung sei deutlich zu erkennen gewesen.
Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 24.3.2004 ließ die Klägerin diese Diagnose dem Beklagten mitteilen mit der Aufforderung, den Kaufvertrag rückabzuwickeln und den Kaufpreis bis zum 5.4.2004 zurückzuerstatten.
Die Klägerin hat behauptet, bereits kurze Zeit nach Abholung des Pferdes hätten sich Probleme bei der Rittigkeit ergeben und die Stute habe hinten beiderseits deutlich verkürzt untergetreten. Es sei zunächst kein Tierarzt aufgesucht worden, da man geglaubt habe, das Pferd sei durch die Umstellung verspannt und aufgeregt. Erst nachdem verstärkte Longenarbeiten nichts gefruchtet hätten, sei der Tierarzt hinzugezogen worden.
Die Erkrankung des Pferdes habe bereits bei Übergabe vorgelegen. Möglicherweise sei dies durch Medikamentengabe übertüncht worden. Sie habe das Pferd lediglich einmal etwa 10 Minuten probegeritten.
Für Tierarzt und Schmied sowie für die Unterstellung und Verpflegung der Stute seien ihr bis Juli 2004 einschl. Kosten i.H.v. 2.574,23 EUR entstanden.
Der Beklagte hat demgegenüber vorgetragen, die Klägerin habe mehrere Proberitte unternommen. Der die Ankaufuntersuchung durchführende Tierarzt S. habe u.a. auch den Rücken durch Abtasten untersucht und hierbei Feststellungen im Sinne der Klägerin nicht getroffen. Die jetzt festgestellten Verspannungen könnten z.B. auch auf der Verwendung eines falschen Sattels beruhen.
Hilfsweise hat er eingewandt, bei der festgestellten Diagnose handele es sich gar nicht um einen Mangel, denn über 50 % der Pferde wiesen einen Röntgenbefund wie die hier streitbefangene Stute auf, ohne dass es zu Rückenschmerzen oder Verspannungen käme. Eine röntgenologische Rückenerkrankung in Form eines Mangels sei nur dann zu bejahen, wenn ein Röntgenbefund vorläge, dessen Ursächlichkeit für einen Schmerzzustand bewiesen werde. Dies sei aber im vorliegenden Fall zu verneinen.
Das LG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens und sodann die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf Bl. 96 ff. d.A. verwiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die sich vor allem gegen die Rechtsauffassung des LG wendet, für den vorliegenden Fall greife die Beweislastumkehr des § 476 BGB nicht. Dies widerspräche der Rechtsprechung des BGH. § 476 BGB solle im Regelfall zugunsten des Käufers eingreifen und nur aus...