Leitsatz (amtlich)
Der Hinweis in einem Beitragserhöhungsschreiben, wonach sich "Leistungen und Beiträge stets die Waage halten" müssten, verbunden mit einem Informationsschreiben, in dem darauf hingewiesen wird, dass "die Beiträge nachkalkuliert werden" müssen, wenn "die Werte in einem bestimmten, gesetzlich festgelegten Umfang voneinander" abweichen, genügt den formellen Anforderungen an ein wirksames Prämienerhöhungsverlangen.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 1039/21) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.07.2022 wird aufgehoben.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Die bis zum 31.12.2017 fällig gewordenen Ansprüche sind verjährt. Die Beitragsanpassungen sind formell wirksam und entsprechen den Anforderungen an § 203 Abs. 5 VVG. Der Wirksamkeit der Anpassungen steht die Unwirksamkeit von § 8 b Abs. 2 MB/KK nicht entgegen, weil § 8 b Abs. 1 MB/KK wirksam ist. Die Beitragserhöhungen sind auch nicht deshalb unwirksam, weil sie trotz gesunkener Leistungsausgaben erfolgt ist.
1. Ansprüche aus der Prämienerhöhung im Tarif COMFI+ nebst gesetzlicher Zuschlag (Tarif GZN10) für das Jahr 2015 bestehen nicht, weil sie verjährt sind. Ob die Prämienanpassung im Tarif COMFI+ und GZN10 zum 01.01.2015 wirksam war, kann daher offenbleiben.
Nach § 199 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 14.12.2021 (- 4 U 1693/21 - juris) ausgeführt hat, lag die erforderliche Kenntnis mit Erhalt des Anpassungsschreibens aus November 2014 hinsichtlich der formellen Voraussetzungen der Mitteilungen über die Beitragserhöhung vor. Die erforderliche Kenntnis setzt auch bei einem Bereicherungsanspruch grundsätzlich keine zutreffende rechtliche Würdigung voraus. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, dass ihm wegen einer unsicheren Rechtslage die Klageerhebung nicht zumutbar war. Insoweit wird auf die Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 14.12.2021 - (4 U 1693/21 - juris, Rdnr. 38) und im Urteil vom 15.02.2022 (- 4 U 1672/21 unter Ziffer 1 c)) Bezug genommen.
Eine darüber hinausgehende Feststellung der Unwirksamkeit der Tariferhöhung zum 01.01.2015 ist nicht geschuldet, da etwaige Ansprüche durch die formell und materiell wirksame Beitragserhöhung in den Tarifen zum 01.01.2018 weggefallen sind (siehe nachfolgende Ausführungen). Denn die wirksame Prämienanpassung zum 01.01.2018 bildet ungeachtet vorheriger unwirksamer Anpassungserklärungen ab dem Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens die Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner gesamten Höhe und umfasst auch Prämienanteile aus vorherigen unwirksamen Prämienanpassungen (vgl. BGH, Urteil von 10.03.2021 - IV ZR 353/19 - juris). Ab der Prämienanpassung zum 01.01.2018 bestand danach ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Prämie in der durch diese letzte Anpassung festgesetzten neuen Gesamthöhe (vgl. BGH, Urteil vom 10.03.2021 - IV ZR 353/19 - juris). Die nachgeholten Angaben zu den Gründen der Prämienanpassung führen zu einer Heilung ex nunc.
2. Gegen die formelle Wirksamkeit der Anpassungen im Tarif COMFI+ nebst dem gesetzlichen Zuschlag im Tarif GZN10 zum 01.01.2018 und zum 01.01.2021 bestehen entgegen der Ansicht der Berufung keine Bedenken.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 16.12.2020 - IV ZR 294/19 - und IV ZR 314/19 - juris) erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Der Gesetzeswortlaut sieht die Angabe "hierfür maßgeblichen Gründe" vor und macht damit deutlich, dass sich diese auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen müssen; eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genügt danach nicht (so BGH, Urteil vom 16.12.2020 - IV ZR 294/16 - Rdnr. 26). Zugleich folgt aus dem Wortlaut "maßgeblich", dass nicht alle Gründe genannt werde...