Leitsatz (amtlich)

Zusammenrechnung von Streitwerten nacheinander geltend gemachter Ansprüche im selben Verfahren.

 

Verfahrensgang

AG Meißen (Aktenzeichen 104 C 361/19)

LG Dresden (Aktenzeichen 8 T 393/20)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers - unter deren Zurückweisung im Übrigen - werden der Beschluss des Landgerichts Dresden vom 15.01.2021, Az.: 8 T 393/20, aufgehoben und der Beschluss des Amtsgerichts Meißen vom 22.04.2020, Az.: 104 C 361/19, wie folgt abgeändert:

"Der Gebührenstreitwert des Verfahrens nach dem GKG wird auf bis zu 6.000,00 EUR festgesetzt."

II. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Beteiligten des Beschwerdeverfahrens streiten über die Rechtsfrage, wie der Streitwert nach § 39 GKG zu bestimmen ist, wenn wirtschaftlich nicht identische Streitgegenstände während des Rechtsstreits ausgetauscht werden, also nacheinander geltend gemacht werden. Wegen des Sachverhalts wird auf Ziffer I. des Beschlusses des Landgerichts Dresden vom 15.01.2021, Az.: 8 T 393/20, Bezug genommen.

Das Amtsgericht Meißen hat - nach Anhörung der Parteien - mit Beschluss vom 22.04.2020 (GA 84) den Streitwert bis zur Umstellung der Klage auf den Wert der Zahlungsklage (4.460,63 EUR), anschließend auf den diesbezüglichen Wert der Anwalts- und Gerichtskosten (§ 1.071,23 EUR) festgesetzt, ohne - wie es der Prozessbevollmächtigte des Klägers zuvor beantragt hatte (GA 76) - die Kosten für die Streitverkündung, die Kosten für die Gegenseite, für fiktive Terminsgebühren und die fiktive Beweisaufnahme anzusetzen.

Die hiergegen aus eigenem Recht erhobene Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 20.05.2020 hat das Landgericht mit Beschluss vom 15.01.2021 zurückgewiesen, die weitere Beschwerde aber ausdrücklich zugelassen. In einer umfassend begründeten Entscheidung hat es unter erschöpfender Auswertung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung eine Zusammenrechnung der Streitwerte verneint, da eine gleichzeitige Geltendmachung Voraussetzung der Zusammenrechnung sei (§ 39 GKG).

Mit Schriftsatz vom 03.02.2021, auf den wegen der konkreten Begründung Bezug genommen wird, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts die weitere Beschwerde erhoben.

Mit Beschluss vom 29.04.2021 hat der Einzelrichter die Sache dem Senat zur Entscheidung übertragen.

II. Die statthafte und zulässige (1.) weitere Beschwerde hat in der Sache lediglich im tenorierten Umfang Erfolg (2.).

1. Die weitere Beschwerde ist kraft Zulassung statthaft (§§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 4 GKG). Zwar zitiert das Landgericht im angefochtenen Beschluss diesbezüglich die Vorschrift des § 33 Abs. 6 RVG, obwohl es sich nach seinen zutreffenden vorangegangenen Ausführungen um eine nach § 32 Abs. 2 RVG (i.V.m. § 68 Abs. 1 GKG) zulässige Eigenbeschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen die gerichtliche Festsetzung der Gerichtsgebühren handelt. Dies ist jedoch unschädlich, da aufgrund der konkreten Zulassungsgründe davon auszugehen ist, dass die weitere Beschwerde der Klärung der Frage zur Bestimmung des Gebührenstreitwerts nach § 39 GKG dienen sollte, mithin eine Zulassung der weiteren Beschwerde nach §§ 68 Abs. 1 S. 5, 66 Abs. 4 GKG beabsichtigt war.

Die weitere Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 32 Abs. 2 RVG, 68 Abs. 1 S., 5, 66 Abs. 2 GKG). Der Beschwerdewert von 200,00 EUR ist überstiegen (§ 66 Abs. 2 GKG, GA 87).

Der weiteren Beschwerde fehlt auch nicht deshalb das Rechtsschutzinteresse, weil sich die Rechtsanwaltsgebühren nicht (ausschließlich) nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert richten und mithin nicht das Beschwerdeverfahren zur Bestimmung der Gerichtsgebühren nach § 68 GKG, sondern das Verfahren zur Wertfestsetzung der Rechtsanwaltsgebühren nach § 33 RVG einschlägig gewesen wäre. Auch wenn sich die Terminsgebühr hier nach dem reduzierten Streitwert nach Klageänderung ergeben dürfte, orientiert sich jedenfalls die Verfahrensgebühr im Sinne des § 32 Abs. 1 RVG nach der Gerichtsgebühr.

2. In der Sache hat die weitere Beschwerde teilweise Erfolg.

Der Senat entscheidet die aufgeworfene Rechtsfrage dahingehend, dass auch die Streitwerte nacheinander geltend gemachter Ansprüche im selben Verfahren zusammenzurechnen sind (§ 39 Abs. 1 GKG). Dies ergibt sich aus dem offenen Wortlaut der Vorschrift, der Systematik der kostenrechtlichen Bestimmungen und dem Sinn und Zweck der Zusammenrechnung. Lediglich bei der Wertberechnung waren Abstriche zu machen.

a) Nach dem Wortlaut der Vorschrift werden in demselben Verfahren und in demselben Rechtszug die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist (§ 39 Abs. 1 GKG). Damit fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung, wonach eine gleichzeitige Geltendmachung der Streitwerte Voraussetzung für eine Zusammenrechnung wäre. Die behauptete Absicht des Gesetzgebers, die bestehende A...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge