Leitsatz (amtlich)
1. Die auf die berufliche Zusammenarbeit des Sachverständigen mit einer Partei gestützte Besorgnis der Befangenheit ist grundsätzlich innerhalb von 2 Wochen nach Bekanntgabe von dessen Ernennung geltend zu machen. Dass erst dessen Gutachten für die Partei Anlass gibt, sich auch mit der Person des Sachverständigen zu beschäftigen, führt nicht zur Zulässigkeit des Ablehnungsgesuchs.
2. Allein die berufliche Bekanntschaft oder enge fachliche Beziehungen des Sachverständigen zu einer Partei ohne besonders Näheverhältnis begründen die Besorgnis der Befangenheit nicht (Festhaltung Senat, Beschluss vom 31.8.2021 - 4 W 587/21).
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 08 O 2174/21) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 19.10.2023 - Az 8 O 2174/21 - wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 30.333,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten Schmerzensgeld sowie die Feststellung der Einstandspflicht für weitere materielle und immaterielle Zukunftsschäden aus Anlass seiner stationären Behandlung im Zeitraum vom 10.03.2020 bis 27.03.2020 in dem Klinikum der Beklagten. Mit Beschluss vom 15.07.2022 beauftragte das Landgericht den Sachverständigen Prof. Dr. W..., Direktor der Klinik und Poliklinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie des Universitätsklinikums in ..., mit der Erstellung eines Gutachtens. Das von dem Sachverständigen unter dem 19.07.2023 erstellte Gutachten übersandte das Landgericht den Parteien mit Beschluss vom 24.07.2023 und forderte sie zugleich gemäß § 411 Abs. 4 ZPO auf, innerhalb von 4 Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses ihre Einwendungen gegen das Gutachten sowie das Gutachten betreffende Anträge und Ergänzungsfragen schriftlich mitzuteilen. Der Beschluss wurde dem Kläger am 31.7.2023 zugestellt. Mit einem am selben Tag zugegangenen Schriftsatz vom 25.08.2023 beantragte der Kläger, den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Zur Begründung führte er aus, eine Internetrecherche habe ergeben, dass der Sachverständige und der Chefarzt der Klinik für Chirurgie der Beklagten Mitglieder der Mitteldeutschen Chirurgenvereinigung (MDCV e.V.) seien, darüber hinaus herausgehobene Vereinsämter innehatten bzw. -haben und bei Symposien als Referenten tätig waren. Die langjährige enge Zusammenarbeit zwischen dem Sachverständigen und Ärzten der Beklagten rechtfertige aus Sicht des Klägers die Besorgnis der Befangenheit. Zudem zeige das Gutachten des Sachverständigen, dass er sich nicht ausreichend mit dem Vorbringen des Klägers, insbesondere zur Schmerzproblematik und zu Anstieg der CRP-Werte, auseinandergesetzt habe. Den Antrag hat das Landgericht mit Beschluss vom 19.10.2023, dem Klägervertreter zugestellt am 25.10.2023, abgelehnt. Hiergegen richtet sich die am 06.11.2023 eingegangene sofortige Beschwerde des Klägers, der das Landgericht mit Beschluss vom 07.11.2023 nicht abgeholfen hat.
II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 406 Abs. 5, 567 Abs. 1 Ziffer 1, 569 ZPO zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht festgestellt, dass das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Sachverständigen Prof. Dr. W... wegen der Besorgnis der Befangenheit nicht begründet ist.
Der Antrag ist teilweise verfristet und damit unzulässig, soweit sich der Kläger zur Begründung auf eine behauptete enge berufliche Zusammenarbeit zwischen dem Sachverständigen und Ärzten der Beklagten stützt (im folgenden unter 1). Darüber hinaus wäre das Gesuch insoweit jedenfalls auch unbegründet (im folgenden unter 3 a)). Des weiteren vermögen die vom Kläger vorgebrachten Bedenken wegen einer unzureichenden und einseitigen inhaltlichen Auseinandersetzung des Sachverständigen mit seinem Sachvortrag seinem Gesuch nicht zum Erfolg zu verhelfen (im folgenden unter 3 b)).
1. Hinsichtlich der mit Schriftsatz vom 25.08.2023 gerügten engen beruflichen Beziehungen des mit Beschluss vom 15.07.2022 benannten Sachverständigen zur Ärzten der Beklagten ist das Ablehnungsgesuch verfristet. Nach § 406 Abs. 2 ZPO ist die Ablehnung binnen zwei Wochen nach Bekanntgabe der Ernennung des Sachverständigen zu beantragen. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Dies ist dem Ablehnungsgesuch nicht zu entnehmen. Der Kläger hat die Hinweise auf eine berufliche Zusammenarbeit durch eine Internetrecherche ermittelt, die er ohne weiteres auch in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Ernennung des Sachverständigen hätte anstellen können. Die Verspätung wird auch nicht dadurch hinreichend entschuldigt, dass er sich zu entsprechenden Nachforschungen erst im Zuge seiner inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Gutachten un...