Leitsatz (amtlich)
1. Nutzungsbedingungen des Anbieters eines sozialen Netzwerkes sind keine bloßen Leistungsbeschreibungen, sondern kontrollfähige Allgemeine Geschäftsbedingungen.
2. Eine Klausel, die "Hassrede" auf der Plattform untersagt und hierunter auch Meinungsäußerungen unterhalb der Schwelle zur Schmähkritik und außerhalb von § 1 Abs. 2 NetzDG versteht, ist nicht überraschend.
3. Eine unangemessene Benachteiligung der Nutzer liegt hierin zumindest dann nicht, wenn sich aus den Bedingungen ergibt, dass Löschungen nicht willkürlich vorgenommen und Nutzer nicht vorschnell oder dauerhaft gesperrt werden.
Verfahrensgang
LG Görlitz (Aktenzeichen 6 O 176/18) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Görlitz vom 17.05.2018, Az. 6 O 176/18, wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragssteller wendet sich gegen die Löschung eines von ihm verfassten Beitrags auf der von der Antragsgegnerin betriebenen Plattform F... und seine - zwischenzeitlich abgelaufene - Teilsperre von Einzelfunktionen. Bei der Antragsgegnerin ist er mit der E-Mail Anschrift w...@aol.com angemeldet. Dem Nutzungsvertrag liegen u.a. die als Anlagen AG 1 und AG 2 mit Stand vom 19.04.2018 vorgelegten Nutzungsbedingungen sowie die Gemeinschaftsstandards zugrunde; letztere enthalten unter Teil III Ziff. 12 eine Definition der sog. Hassrede folgenden Inhalts:
"Wir lassen Hassrede auf F... grundsätzlich nicht zu. Hassrede schafft ein Umfeld der Einschüchterung, schließt Menschen aus und kann in gewissen Fällen Gewalt in der realen Welt fördern.
Wir definieren Hassrede als direkten Angriff auf Personen aufgrund geschützter Eigenschaften: ethnische Zugehörigkeit, nationale Herkunft, religiöse Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Geschlecht, Geschlechtsidentität, Behinderung oder Krankheit. Auch Einwanderungsstatus ist in gewissem Umfang eine geschützte Eigenschaft. Wir definieren Angriff als gewalttätige oder entmenschlichende Sprache, Aussagen über Minderwertigkeit oder Aufrufe, Personen auszuschließen oder zu isolieren. Wir teilen Angriffe wie unten beschrieben in drei Schweregrade ein.
Manchmal teilen Menschen Inhalte, die Hassrede einer anderen Person enthalten, um für ein bestimmtes Thema zu sensibilisieren oder Aufklärung zu leisten. So kann es vorkommen, dass Worte oder Begriffe, die ansonsten gegen unsere Standards verstoßen könnten, erklärend oder als Ausdruck von Unterstützung verwendet werden. Dann lassen wir die Inhalte zu, erwarten jedoch, dass die Person, die solche Inhalte teilt, ihre Absicht deutlich macht, so dass wir den Hintergrund besser verstehen können. Ist diese Absicht unklar, wird der Inhalt unter Umständen entfernt.
Wir lassen Humor und Gesellschaftskritik in Verbindung mit diesen Themen zu. Wir sind außerdem der Ansicht, dass die Nutzerinnen und Nutzer, die solche Kommentare teilen, verantwortungsbewusster handeln, wenn sie ihre Klarnamen verwenden."
Danach folgen Beispiele von Angriffen mit dem Schweregrad 1-3. Für Angriffe mit dem Schweregrad 3 heißt es dort:
"Angriffe mit dem Schweregrad 3 sind Angriffe, die zum Ausschluss oder der Isolation einer Person oder Personengruppe aufgrund der oben aufgeführten Eigenschaften aufrufen. Wir lassen Kritik an Einwanderungsgesetzen und Diskussionen über die Einschränkung dieser Gesetze zu. Inhalte, die Personen verunglimpfend beschreiben oder sie mit Verunglimpfungen angreifen. Verunglimpfungen werden als Ausdrücke bzw. Wörter definiert, die üblicherweise als beleidigende Bezeichnungen für die oben aufgeführten Eigenschaften verwendet werden. .".
In der Einleitung behält sich die Antragsgegnerin das Recht vor, bei Verstößen gegen ihre Gemeinschaftsstandards u. a. die Postings zu löschen und die Rechte des Nutzers einzuschränken.
Der Antragsteller hat zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt den Post "Nach den bisher gemachten Erfahrungen mit den Islam, der eine mehr andere weniger, ist wohl sehr klar zu erkennen, dass diese Menschenrasse nicht zur Europäischen Kultur passen" veröffentlicht, den die Antragsgegnerin am 21.4.2018 gelöscht hat; zugleich wurde das Nutzerkonto des Antragstellers auf die Funktion Read-only für 30 Tage beschränkt.
Seinen Antrag, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung die Löschung zu untersagen und die Sperre aufzuheben hat das Landgericht mit Beschluss vom 17.5.2018 abgelehnt. Die Kommentierung verstoße gegen die Standards der Antragsgegnerin, die die Förderung eines respektvollen Umgangs miteinander fordere. Es fehle zudem an einem Verfügungsgrund, weil es genügend andere Plattformen gebe, auf denen der Antragsteller seine Auffassung verbreiten könne. Der sofortigen Beschwerde des Antragstellers vom 30.05.2018 hat es nicht abgeholfen.
II. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere...