Leitsatz (amtlich)
1. Hinreichende drucktechnische Hervorhebungen der Widerspruchsbelehrung zu einem Lebensversicherungsvertrag fordert ausreichende Lesbarkeit und setzt die Benutzung einer hinreichend großen Schrift sowie Schriftart voraus. Außerdem muss die Belehrung zumindest durch die Drucktechnik bzw. -art so stark hervorgehoben werden, dass sie dem Versicherungsnehmer beim Durchblättern der übersandten Unterlagen der übersandten Unterlagen nicht entgegen kann, selbst wenn er nicht aktiv und bewusst nach einer Widerspruchsmöglichkeit sucht.
2. Die Frage, ob die Ausübung des Widerspruchs nach jahrelanger Vertragsdurchführung treuwidrig ist, ist unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu entscheiden (EUGH, Urteil vom 19.123.2019 - C-355/18, C-256/18, C-357/18, C-479/18).
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 929/21) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.06.2022 wird aufgehoben.
Gründe
Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rückabwicklung des am 18.01.2002 abgeschlossenen kapitalbildenden Lebensversicherungsvertrages zu, § 812 Abs. 1 BGB, § 5a VVG a.F. Der am 13.10.2020 erklärte Widerspruch ist nicht wirksam. Die Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründung rechtfertigen keine andere Entscheidung.
Maßgeblich für die Anforderungen an die Widerspruchsbelehrung ist der Wortlaut des § 5 a VVG in der vom 13.07.2001 bis 07.12.2004 geltenden Fassung. Dort heißt es, dass der Vertrag "auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen gilt, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen in Textform widerspricht" (§ 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG). Der Lauf der Frist beginnt, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach Abs. 1 vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist (§ 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a. F.). Was das Erfordernis der drucktechnischen Hervorhebung betrifft, so muss die Belehrung so gestaltet sein, dass ein durchschnittlich aufmerksamer Leser diese hinreichend deutlich wahrnimmt (Senat, Beschluss vom 02.11.2020 - 4 U 1746/20 - juris, Rz. 4). Nach § 5a Abs. 2 VVG a. F. ist entscheidend, dass der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheins ausreichend belehrt wird; auf die Belehrung im Antragsformular kommt es damit nicht an, worauf die Berufung zu Recht verweist. Da aber die Belehrung, die der Kläger mit Erhalt des Versicherungsscheins erhielt, jedenfalls ausreichend drucktechnisch hervorgehoben ist, kann dahinstehen, ob die Belehrung im Antrag formal richtig gestaltet war (vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil vom 21. Juni 2021 - 12 U 157/20 -, Rn. 46 - 47, juris).
1. Die dem Versicherungsschein beigefügten Versicherungsbedingungen enthalten eine Belehrung, die den dargelegten Anforderungen hinsichtlich der drucktechnischen Hervorhebung genügt.
Auf Seite 1 der Bedingungen heißt es:
"§ 2 Wie und bis wann können sie dem Zustandekommen des Versicherungsvertrages widersprechen?
(1) Mit dem Versicherungsschein übersenden wir Ihnen die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen. Sie können dem Zustandekommen des Vertrags innerhalb eines Monats nach Erhalt dieser vollständigen Unterlagen schriftlich widersprechen. Abweichend von Satz 2 erlischt Ihr Recht zum Widerspruch jedoch 1 Jahr nach Zahlung des ersten Beitrags. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs. (2) Widersprechen Sie nicht innerhalb der Frist, gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation als abgeschlossen."
Den AVB vorangestellt war eine Inhaltsübersicht, in der bereits in der zweiten Zeile das Widerspruchsrecht angesprochen wird. Die Belehrung selbst befand sich in der Mitte der ersten Seite der Versicherungsbedingungen in einer eigenen, jeweils durch Trennstriche abgesetzten S...