Leitsatz (amtlich)
1. Einer Gegendarstellung, die sich gegen den aus dem Gesamtzusammenhang einer Presseberichterstattung abgeleiteten Eindruck wendet, ohne deutlich zu machen, durch welche konkret aufgeführten Einzeläußerungen dieser Eindruck hervorgerufen wird, fehlt das berechtigte Interesse im Sinne des § 56 Abs. 2 Nr. 1 RStV.
2. Drängt sich dem Leser ein solcher Eindruck aus dem Zusammenspiel der Einzeläußerungen nicht zwingend auf, sondern stellt dieser lediglich eine nicht fernliegende Deutungsmöglichkeit dar, kommt der Abdruck einer Gegendarstellung nicht in Betracht.
3. Ein rechtliches Interesse an einer Gegendarstellung fehlt auch dann, wenn der beanstandete Presseartikel die Stellungnahme des Betroffenen zutreffend wiedergibt.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 08 O 1043/17) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückweisenden Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 30.5.2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 20.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Verkehrsgesellschaft des Landkreises G........... . Er begehrt die Verurteilung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung zum Abdruck einer Gegendarstellung zu einem Artikel, den die Antragsgegnerin am 27.4.2017 unter der Überschrift "Busstreit von G........... - Mannschaftsbus bringt Insolvenzverwalter R. in Bedrängnis" auf ihrer Internetseite www.XXXXXX.de eingestellt und kurze Zeit später in geänderter Fassung dort erneut veröffentlicht hatte. Unter Bezug auf eine in der Änderungsfassung enthaltene Richtigstellung hat die Antragsgegnerin den Abdruck einer Gegendarstellung verweigert. Das Landgericht hat den Erlass einer einstweiligen Verfügung mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen, weil sich die vom Antragsteller begehrte Gegendarstellung nicht gegen Tatsachenbehauptungen richte. Die dort wiedergegebenen Äußerungen seien derart substanzarm, dass sie als reine Meinungsäußerung anzusehen seien. Es fehle zudem an dem für eine Gegendarstellung erforderlichen berechtigten Interesse, weil der Standpunkt des Antragstellers bereits in der ursprünglichen Fassung des Beitrags wiedergegeben worden sei. Mit der sofortigen Beschwerde vertritt der Antragsteller die Auffassung, das Landgericht habe verkannt, dass es hier auf das Zusammenspiel der Einzeläußerungen ankomme, die insgesamt den Eindruck erweckten, der Antragsteller treffe Entscheidungen zu Lasten der Insolvenzschuldnerin, weil er zugleich Präsident des FC Y........... sei und die Fa. W........... dessen Mannschaftsbus sponsore. Dieser Eindruck entstehe aber aufgrund "falscher Tatsachen", weil es ein solches Sponsoring nicht gegeben habe. Ein in dem Artikel enthaltenes Zitat des Rechtsanwalts K......, das das Landgericht als zulässige Meinungsäußerung angesehen, basiere ebenfalls auf "falschen Fakten". Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Die gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch den weiteren Voraussetzungen nach zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin bleibt in der Sache erfolglos. Zu Recht hat das Landgericht dem auf die Durchsetzung des Gegendarstellungsverlangens der Antragstellerin gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht entsprochen. Das nach Maßgabe von § 56 RStV im Wege der einstweiligen Verfügung verfolgte Gegendarstellungsverlangen ist nicht begründet.
1. Allerdings scheitert eine Gegendarstellung entgegen der von der Antragsgegnerin im Schreiben vom 8.5.2017 an den Antragsteller vertretenen Auffassung nicht bereits daran, dass der Ausgangsbeitrag zu einem nicht bekannten Zeitpunkt "kurz nach seiner Veröffentlichung", frühestens aber am 27.4.2017 nach 22:07 Uhr (Anlage ASt 8) im letzten Absatz verändert wurde. Es bedarf hierfür keiner Entscheidung, ob eine Berichtigung bzw. Ergänzung in einer weiteren, von der Erstveröffentlichung unabhängigen Meldung auf der streitbefangenen Internetseite grundsätzlich geeignet ist, das berechtigte Interesse des Betroffenen entfallen zu lassen. Auch wenn man dies annehmen wollte (so etwa Seitz/Schmidt Der Gegendarstellungsanspruch, 4. Aufl. Kap. 5 Rn 210), müsste hierdurch aber jedenfalls erkennbar die Erstmitteilung widerrufen bzw. richtig gestellt werden (so auch OLG Hamburg, Urteil vom 27.10.2009, 7 U 39/09 - juris). Unzureichend ist es demgegenüber, wenn dem Leser die Abänderung des Ausgangstextes nicht als Richtigstellung erscheint, sondern als Mitteilung eines neuen Sachverhalts. Zumindest bei Veröffentlichungen im Internet kann auch nicht darauf abgestellt werden, der Ursprungstext sei nicht mehr aufrufbar, der Leser nehme nur noch den neuen Text zur Kenntnis. Der Wegfall der Erstveröffentlichung soll gerade dem Recht des Betroffenen nicht entgegenstehen. Dass der Leser nur noch auf den ergänzten Text, der keinen Hinweis ...