Leitsatz (amtlich)
1. Ergeben sich die Gründe, auf die die Ablehnung des Sachverständigen gestützt wird, aus dessen Gutachten, ist der Befangenheitsantrag innerhalb der nach § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten oder verlängerten Frist zu stellen, wenn sich die Besorgnis der Befangenheit erst aus einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Gutachten ergibt.
2. Nicht jede für die Partei ungünstige Beurteilung kann als einseitig zu ihren Lasten qualifiziert werden, soweit der Sachverständige hierdurch den Boden einer sachlichen Auseinandersetzung nicht verlässt.
3. Zur Frage, ob folgende Äußerung des Sachverständigen einen Befangenheitsgrund darstellt: Das von der Beklagten vertretene Verständnis des Operationsberichts kennzeichne "entweder eine völlig absurde und abenteuerliche Vorstellung der Beklagten bezüglich offener Bauchchirurgie oder (sei) eine bewusste Verleugnung besseren Wissens und entbehrt dann jeglicher Sachargumentation".
Verfahrensgang
LG Görlitz (Beschluss vom 26.11.2009; Aktenzeichen 1 O 272/07) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des LG Görlitz vom 26.11.2009 - 1 O 272/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 13.494,67 EUR festgesetzt.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten materiellen und immateriellen Schadenersatz sowie die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden aus behaupteten Behandlungsfehlern anlässlich einer am 15.8.2002 erfolgten Entfernung der Gebärmutter, bei der sie am Nervus femoralis verletzt wurde. Das LG hat mit Beschluss vom 1.11.2007 (Bl. 106) die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens beschlossen und mit Beschluss vom 7.2.2008 Prof. ... zum Sachverständigen bestellt. Der Sachverständige hat sein Gutachten am 22.10.2008 erstattet und auf weiteren Beschluss des LG vom 17.2.2009 am 17.9.2009 ein Ergänzungsgutachten vorgelegt (Bl. 235). Zu dem Ergänzungsgutachten konnten die Parteien bis zum 23.10.2009 Stellung nehmen. Mit am 13.10.2009 eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte beantragt, den Sachverständigen und den Co-Sachverständigen Dr. ... wegen sich aus der Wortwahl im Ergänzungsgutachten ergebenden Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Gegen den ihm am 9.12.2009 zugestellten Beschluss des LG vom 26.11.2009 hat die Beklagte am 15.12.2009 sofortige Beschwerde eingelegt, der das LG nicht abgeholfen hat.
Auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses wird Bezug genommen.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 406 Abs. 5, 567 ff. ZPO), aber unbegründet. Das LG hat den auf Ablehnung des Sachverständigen gerichteten Antrag zu Recht zurückgewiesen.
1. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Ablehnungsgesuch zulässig, insb. ist die am 13.10.2009 erfolgte Ablehnung nicht verspätet. Ein Ablehnungsgesuch ist nach § 406 Abs. 2 ZPO binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses über die Ernennung eines Sachverständigen zu stellen. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Ergeben sich die Gründe, auf die die Ablehnung des Sachverständigen gestützt wird, aus dessen Gutachten, ist die Frist des § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO maßgebend. Ein Befangenheitsantrag, der innerhalb der zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO gesetzten oder verlängerten Frist eingereicht wird, ist immer dann als rechtzeitig anzusehen, wenn sich die Besorgnis der Befangenheit erst aus einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Gutachten ergibt. Die am Rechtsstreit beteiligten Parteien müssen sich nämlich innerhalb dieser Frist abschließend mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen und mitteilen, ob und ggf. in welchen Punkten Ergänzungsbedarf gesehen wird. Kommt hierbei eine Partei aufgrund der inhaltlichen Prüfung des Gutachtens nicht nur zu dem Ergebnis, dass dieses unrichtig oder ergänzungsbedürftig ist, sondern dass bestimmte Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten auf Voreingenommenheit ihr ggü. zurückzuführen sind, ist auch diese Besorgnis Ergebnis der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Gutachten. Hieraus folgt, dass der Antragsteller nicht verpflichtet ist, binnen kürzerer Frist eine Vorprüfung des Gutachtens vorzunehmen, nur um feststellen zu können, ob das Gutachten Mängel enthält, die aus seiner Sicht nicht nur einen Ergänzungsantrag nötig machen, sondern sogar die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen (BGH NJW 2005, 1869; OLG Düsseldorf OLGReport Düsseldorf 2001, 469; OLG Dresden, Beschl. v. 18.12.2009 - 4 W 1282/09; v. 21.9.2009 - 4 W 948/09n. V.; a.A. allerdings OLG Koblenz OLGReport Koblenz 1998, 470; OLG Köln, OLGReport Köln 1995, 147; OLG Naumburg, 10 W 23/01, juris; OLG München OLGReport München 2004, 117; 2003, 58). Vorliegend wurde der Ablehnungsantrag innerhalb der bis zum 23.10.2009 gesetzten S...