Verfahrensgang
LG Dresden (Entscheidung vom 28.05.2020; Aktenzeichen BSRH 61/19) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Landgerichts Dresden vom 28. Mai 2020 aufgehoben.
2. Der Beschluss des Rates des Kreises xxx - Jugendhilfeausschuss - vom 25. März 1981, mit welchem die Heimerziehung in einem Jugendwerkhof angeordnet worden ist, wird für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben.
3. Es wird festgestellt, dass der Betroffene in der Zeit vom 20. Januar 1982 bis 23. Juli 1983 zu Unrecht Freiheitsentzug erlitten hat.
4. Kosten des Rehabilitierungsverfahrens werden nicht erhoben. Die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
I.
Durch Beschluss des Rates des Kreises xxx - Jugendhilfeausschuss - vom 25. März 1981 wurde im Hinblick auf den Antragsteller die Heimerziehung in einem Jugendwerkhof angeordnet, was zu seiner Unterbringung in der Zeit vom 20. bis 26. Januar 1982 im Durchgangsheim yyy und unmittelbar im Anschluss daran bis zum 23. Juli 1983 im Jugendwerkhof "xyz" in zzz geführt hat.
Die durch den Antragsteller mit Schreiben vom 27. September 2014 beantragte Rehabilitierung im Hinblick auf seine Einweisung in den Jugendwerkhof "xyz" in zzz wurde mit Beschluss des Landgerichts Dresden vom 24. Juni 2015 (Az.: BSRH 180/14), rechtskräftig seit dem 28. Juli 2015, als unbegründet zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 15. Juli 2019 bzw. 24. Februar 2020 hat der Betroffene die "Wiederdaufnahme" seines Rehabilitierungsverfahrens im Hinblick auf seine Unterbringung im Durchgangsheim yyy in der Zeit vom 20. bis zum 26. Januar 1982 sowie seine anschließende Unterbringung im Jugendwerkhof "xyz" in zzz beantragt und hat sich zudem auf die unter dem 29. November 2019 in Kraft getretene Gesetzesänderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes, insbesondere auf die in § 10 Abs. 3 StrRehaG eingefügte Vermutungsregelung, berufen. Mit Beschluss vom 28. Mai 2020 hat das Landgericht Dresden - Rehabilitierungskammer - den "Wiederaufnahmeantrag" des Betroffenen vom 15. Juli 2019 als unbegründet zurückgewiesen und hat unter anderem ausgeführt, dass auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 10 Abs. 3 StrRehaG die Heimunterbringung des Betroffenen fürsorgerischen und nicht sachfremden Zwecken gedient habe.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 28. Mai 2020 aus den zutreffenden, durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräfteten Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässig erhobene Beschwerde des Betroffenen hat Erfolg.
Der Antrag des Betroffenen ist - nachdem sich dieser mit Schreiben vom 24. Februar 2020 ausdrücklich auf die am 29. November 2019 in Kraft getretene Änderung des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes und auch ausdrücklich auf die Vermutungsregelung des § 10 Abs. 3 StrRehaG berufen hat - als Zweitantrag nach § 1 Abs. 6 StrRehaG auszulegen.
Da der Antrag insoweit zulässig (1.) und begründet ist (2.), kommt es nicht darauf an, ob darüber hinaus auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Rehabilitierungsverfahrens Erfolg gehabt hätte.
1.
Der Zweitantrag des Betroffenen ist gemäß § 1 Abs. 6 StrRehaG zulässig. Der Antragsteller hat in seinem Schreiben vom 24. Februar 2020 und insbesondere auch in der Beschwerdebegründung vom 11. Juli 2020 dargestellt, dass sein früherer Antrag unter Berücksichtigung der am 29. November 2019 in Kraft getretenen Regelungen des Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz Erfolg gehabt hätte.
2.
Der Antrag des Betroffenen ist auch begründet.
a)
Die durch einen Jugendhilfeausschuss erfolgte Unterbringung in einem Kinderheim bzw. Spezialkinderheim ist grundsätzlich eine im Sinne des § 2 StrRehaG rehabilitierungsfähige Entscheidung über die Anordnung von Freiheitsentzug. Die Tatsache, dass Freiheitsentziehung stattgefunden hat, führt aber nur dann zu einer strafrechtlichen Rehabilitierung, wenn - wie § 2 StrRehaG vorschreibt - auch die sonstigen Voraussetzungen dafür gemäß § 1 StrRehaG gegeben sind. Dies bedeutet, dass Beschlüsse eines Jugendhilfeausschusses nur dann für rechtsstaatswidrig zu erklären und aufzuheben sind, wenn sie mit wesentlichen Grundsätzen einer rechtsstaatlichen Ordnung unvereinbar sind. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Entscheidung politischer Verfolgung gedient hat, ihr sachfremde Erwägungen zugrunde lagen oder die angeordneten Rechtsfolgen in groben Missverhältnis zum zugrunde liegenden Einweisungsgrund standen (ständige Rechtsprechung; vgl. auch BGH, NJW 2015, 1702 ff. m.w.N.). Die jeweils im Einzelfall vorzunehmende Prüfung muss ergeben, dass die konkrete Einweisung sachfremden Zwecken gedient hat (vgl. nur KG, NJ 2007, 424, m.w.N.), wobei nach dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes allein die jeweiligen behördlichen Entscheidungen einer Überprüfung unterliegen. Nur auf deren Rechtsstaatswidrigkeit kommt es an, so dass lediglich die Gründe für die Anordnu...