Leitsatz (amtlich)
1. Für die Schätzung des Streitwerts einer Klage auf Unterlassung geschäftsschädigender Äußerungen sind in erster Linie die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit im Hinblick auf den drohenden Schaden und die Unternehmensverhältnisse beim Verletzer maßgelblich.
2. Den Angaben in der verfahrenseinleitenden Schrift kommt hierfür indizielle Bedeutung zu.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 05 O 1738/22 EV) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragstellerin vom 23.12.2022 gegen die Streitwertfestsetzung in dem Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 08.08.2022 wird zurückgewiesen.
II. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Antragstellerin hat im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung geschäftsschädigender Äußerungen verlangt. Das Landgericht hat antragsgemäß eine einstweilige Verfügung erlassen und den Streitwert entsprechend der Angaben der Antragstellerin im Beschluss vom 08.08.2022 auf 5.000 EUR festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Streitwertbeschwerde der Antragstellerin, die eine Erhöhung des Streitwertes auf 50.000,- begehrt. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht vorgelegt.
II. Die gem. § 68 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 GKG statthafte Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Streitwert ist gem. § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, § 3 ZPO nach freiem Ermessen im Wege der Schätzung zu bestimmen. In Verfahren, in denen es - wie hier - um die Unterlassung geschäftsschädigender Äußerungen geht, ist für diese Schätzung das Interesse an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße maßgeblich. Kriterien zur Bestimmung dieses Interesses sind vor allem die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit im Hinblick auf den drohenden Schaden (z. B. Umsatzeinbußen und Rufschaden), und die Unternehmensverhältnisse beim Verletzer. Den Angaben zum Streitwert in einer Klage - bzw. wie hier Antragsschrift - kommt eine indizielle Bedeutung zu, insbesondere wenn sie im erstinstanzlichen Verfahren und damit zu einem Zeitpunkt, in dem die spätere Kostentragungspflicht noch offen ist, abgegeben werden. Eine Ausnahme gilt jedoch bei einer offensichtlich unrichtigen Bewertung (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2012 - X ZR 110/11, juris Tz. 4; OLG Celle, Beschl. v. 20.11.2014 - 13 W 84/14, BeckRS 2014, 22520, beck-online und Beschl. vom 23. April 2013 - 13 W 32/13, juris Tz. 5).
In dem von der Antragstellerin in der Antragsschrift angegebenen Wert spiegelt sich angemessen wider, welches Gewicht das von ihr verfolgte Unterlassen der Äußerungen der Beschwerdegegnerin hat. Eine offensichtliche Fehlerhaftigkeit des angegebenen Wertes ist nicht zu erkennen. Die zu unterlassenen Äußerungen waren zwar in nicht unerheblichem Maße geeignet, den Ruf der Antragstellerin zu schädigen. Demgegenüber steht jedoch, dass die Äußerungen nur für einen insgesamt kurzen Zeitraum von rund einem Monat öffentlich und überdies nicht für einen unübersehbar großen Personenkreis wahrnehmbar waren. Überdies hat die Antragstellerin das Bestehen eines wirtschaftlichen Schadens in Form konkreter Umsatzeinbussen aufgrund der Äußerungen ebenso wenig dargelegt wie die finanziellen Verhältnisse bei der Antragsgegnerin als Verletzerin. Angesichts dessen erscheint die vom Landgericht vorgenommene Bewertung des Unterlassungsinteresses der Antragstellerin mit 10.000 EUR zumindest nicht als sachwidrig, vielmehr unter Berücksichtigung der verfolgten Interessen als zutreffend und ausreichend.
Vor dem Hintergrund, dass der Anspruch im Verfahren der einstweiligen Verfügung geltend gemacht wurde, ist auch der vom Landgericht vorgenommene Abschlag in Höhe von 50 % angemessen. Die mit einem im einstweiligen Verfügungsverfahren regelmäßig einhergehende vorläufige Regelung rechtfertigt in der Regel einen Abschlag gegenüber dem Wert der Hauptsache von einem Drittel bis zur Hälfte (vgl. Zöller, 34. Aufl. 2022, § 3 ZPO, Rn. 16.63 m.w.N.; Hartmann, Kostengesetze, 41. Aufl. 2011, § 53 GKG, Rn. 2 m.w.N.). Ein Abzug wegen einer nur vorläufigen Regelung ist zwar nicht angezeigt, wenn bei Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens aus der maßgeblichen Sicht der Antragstellerseite die berechtigte Erwartung besteht, dass das einstweilige Verfügungsverfahren wie ein Hauptsacheverfahren zu einer abschließenden Regelung der Streitigkeit führt (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 19. April 2022 - 14 W 870/21 -, Rn. 12, juris). Dies war aber angesichts der umfassenden Streitigkeiten der Parteien im Zusammenhang des zwischen ihnen bestehenden Mietverhältnisses und auch wegen des Hinweises der Antragstellerin in der Antragsschrift auf die Wiederholungsgefahr nicht zu erwarten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.
Fundstellen
Haufe-Index 15745439 |
NJW 2023, 10 |
NJW-RR 2023, 1616 |
JurBüro 2023, 367 |