Leitsatz (amtlich)

Für die Frage, ob ein Auszubildender voraussichtlich dauernd außerstande ist, seinen "Beruf" auszuüben, ist allein auf das zuletzt bestehende Ausbildungsverhältnis abzustellen. Auf die Dauer der Ausbildung vor Eintritt des Versicherungsfalles kommt es nicht an.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Beschluss vom 27.04.2007; Aktenzeichen 8 O 406/07)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des LG Dresden vom 27.4.2007 - 8 O 406/07 - abgeändert. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H, D für folgenden Klageantrag bewilligt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin

a) 9.600 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

b) an die Antragstellerin ab dem 1.3.2007 bis zum Ablauf der Versicherung am 30.11.2043 eine BU-Rente i.H.v. jährlich 4.800 EUR, zahlbar jeweils in monatlichen Raten von jeweils 400 EUR im voraus ab dem 1.3.2007 zu zahlen und der Antragstellerin von diesem Zeitpunkt an Beitragsbefreiung in Höhe der monatlichen Versicherungsbeiträge i.H.v. jeweils 21,44 EUR zu gewähren.

c) Die Antragstellerin von Rechtsanwaltskosten i.H.v. 586,31 EUR freizustellen.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

3. Eine Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird nicht erhoben.

 

Gründe

Die nach § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde hat zum überwiegenden Teil Erfolg und führt zur Abänderung des Beschlusses des LG vom 27.4.2007. Der - unstreitig bedürftigen - Antragstellerin ist Prozesskostenhilfe in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu bewilligen.

1. Das LG hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussichten i.S.d. § 114 ZPO mit der Begründung abgelehnt, die Antragstellerin sei nicht berufsunfähig i.S.d. § 3 Abs. 1 der Bedingungen der Beklagten (TOP-SBV), weil sie nicht nachgewiesen habe, in sämtlichen Lehrberufen mit leichter sitzender Tätigkeit unter den im Gutachten der Dipl. med. R. K (K 7) genannten Einschränkungen tätig sein und etwa eine kaufmännische Ausbildung im Innendienst ausüben zu können. Es hat zugleich die Antragstellerin für verpflichtet gehalten, substantiiert vorzutragen, warum es ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sei, sich auf "irgendeinen Beruf" zu qualifizieren. Diese Auffassung verkennt die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei Geltendmachung eines Anspruches aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Zutreffend ist freilich, dass der Versicherungsnehmer darlegen und beweisen muss, dass er aus den von den Bedingungen genannten Gründen seinen bisherigen konkreten Beruf nicht mehr ausüben kann (Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, § 46 Rz. 165). Bei einer in der Berufsausbildung zur Versicherungskauffrau befindlichen Versicherten ist der "zuletzt ausgeübte Beruf" im Sinne der Bedingungen allerdings nicht ihr Status als Auszubildende, sondern die konkrete zuletzt ausgeübte Tätigkeit. Diese hat die Antragstellerin im Schriftsatz vom 9.2.2007 in einer den Anforderungen der Rechtsprechung (vgl. hierzu BGH NVersZ 2000, 127; Beckmann/Matusche-Beckmann, a.a.O.) genügenden Weise beschrieben, indem sie nachvollziehbar dargelegt hat, wie ihr Arbeitsumfeld beschaffen war und welche Anforderungen es an Art, Umfang und Häufigkeit an sie gestellt hat. Insbesondere hat sie aufgezeigt, dass mit dieser Tätigkeit häufige Kundenkontakte einhergehen und die Notwendigkeit besteht, diese regelmäßig mit dem Pkw aufzusuchen. Unter Verweis auf das Gutachten der Dipl. med. R. K vom 27.2.2006 hat sie zugleich vorgetragen, diesen Tätigkeiten infolge der von ihr behaupteten und in diesem Gutachten auch von Frau Dipl. med. K zugrunde gelegten Gehirnblutung sowie ihres dadurch ausgelösten "Paniksyndroms" dauerhaft zu mehr als 50 % nicht mehr gewachsen zu sein. Dies reicht im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens aus. Die vom LG zugrunde gelegte Auffassung, die freilich auch in der zitierten Entscheidung des OLG Koblenz vom 17.12.1993 (RuS 1994, 195) so nicht vertreten wird, verkennt, dass aus der Sicht eines Auszubildenden, der eine Berufsunfähigkeit abschließt, der Versicherer typischerweise nicht nur Schutz gegen den vollständigen Wegfall jeder Möglichkeit der Berufstätigkeit verspricht, sondern gerade auch Schutz gegen den Wegfall der Möglichkeit, den mit der begonnenen Ausbildung beschrittenen beruflichen Lebensweg fortführen zu können (OLG Koblenz, a.a.O.). Anderenfalls wäre nämlich der Versicherungsschutz eines Auszubildenden auf eine bloße Erwerbsunfähigkeitsversicherung reduziert, ohne dass dies aus den Bedingungen in hinreichend klarer Weise (§ 305c BGB) ersichtlich wäre. Gibt ein Auszubildender daher im Antrag eine bestimmte Tätigkeit an und schließt der Versicherer auf dieser Grundlage ab, dann ist die angegebene Tätigkeit ein Beruf im Sinne der Bedingungen, auch wenn dies nach dem Sprachgebrauch zweifelhaft ist (Voith, Berufsunfähigeitsversicherung III Rz. 247; Prölss/Martin, VVG, BUZ § 2 Rz. 11). Vorliegend war...

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