Leitsatz (amtlich)

Ist dem verweisenden Gericht kein relevanter Fehler unterlaufen, bleibt die Verweisung auch dann bindend, wenn sich im weiteren Verlaufe des Rechtsstreits herausstellt, dass der Beklagte sie durch falsche Tatsachenangaben mitverursacht oder gar erschlichen hat; eine Rückverweisung kommt nicht in Betracht.

 

Normenkette

ZPO § 281 Abs. 2 S. 4

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 10 O 2003/08)

 

Gründe

I. Das OLG Dresden ist gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO zur Sachentscheidung des negativen Kompetenzkonfliktes berufen, weil sich die beiden beteiligten, in verschiedenen Bundesländern ansässigen LG, von denen eines in jedem Falle für die rechtshängige Werklohnklage zuständig ist, unanfechtbar für unzuständig erklärt haben und das zuerst mit der Sache befasste LG Dresden die Akten mit Beschluss vom 8.6.2009 "seinem" OLG vorgelegt hat.

II. Als örtlich zuständig ist das LG Berlin zu bestimmen, weil dem Verweisungsbeschluss des LG Dresden vom 12.12.2008 Bindungswirkung zukommt, § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO. Diese auch in Gerichtsstandsbestimmungsverfahren zu beachtende Bindungswirkung kraft gesetzlicher Anordnung entfällt nach allgemeiner Ansicht nur in Ausnahmefällen, namentlich dann, wenn die Verweisung unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör oder den gesetzlichen Richter ergangen ist oder auf einer objektiv willkürlichen unzutreffenden Rechtsanwendung beruht (Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 36 Rz. 28 m.w.N.). Davon kann hier nicht ausgegangen werden.

1. Das LG Dresden hat die Verweisung nach mündlicher Verhandlung vom 28.11.2008, in der die Zuständigkeitsfrage kontrovers erörtert wurde, auf den anschließenden, der zuverlässigen Vermeidung eines etwaigen Prozessurteils dienenden Hilfsantrag des Klägers im Schriftsatz vom 8.12.2008 hin ausgesprochen. Seine Begründung, die gem. § 38 Abs. 1 ZPO prorogationsfähigen Parteien hätten im Bauvertrag als ausschließlichen Gerichtsstand - für eine hier vorliegende Klage des Auftragnehmers - wirksam den Sitz der Beklagten (bzw. ihres Prozessbevollmächtigten) vereinbart, der in Berlin liege, lässt bei Zugrundelegung des damaligen Erkenntnisstandes des Gerichtes weder Willkür noch auch nur einen Fehler erkennen. Dies räumt das LG Berlin in seinem nach mündlicher Verhandlung vom 29.4.2009 am 6.5.2009 verkündeten Beschluss ausdrücklich ein, wenn es davon spricht, das LG Dresden habe aus seiner Sicht zu Recht verwiesen.

2. Das LG Berlin meint vielmehr, die Beklagte habe sich die Verweisung durch bewusst unwahre Angaben ihres Geschäftsführers ggü. dem LG Dresden zu ihrem Sitz, der sich tatsächlich nicht wie angegeben in Berlin, sondern ausweislich des vom Kläger mit Schriftsatz vom 2.4.2009 vorgelegten Handelregisterauszuges in Dresden befinde, erschlichen. Dies lasse die Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses entfallen und führe entsprechend dem Antrag des Klägers zur Rückverweisung der Sache an das allein zuständige LG Dresden.

Dem kann nicht beigetreten werden. Richtig ist zwar, dass eine beklagte Partei, die sich durch bewusst unwahre Angaben im Prozess eine Verweisung durch das vom Kläger angerufene Hauptsachegericht an ein unzuständiges, ihr genehmes Gericht erschleichen will und tatsächlich erreicht, keinen Schutz verdient. Das allein rechtfertigt es jedoch nicht, nach späterer Aufdeckung der Täuschung und damit offenbar gewordener "eigentlicher" Unzuständigkeit des Gerichtes, an welches verwiesen wurde, die Bindungswirkung zu verneinen. Unterläuft dem Ausgangsgericht bei der Verweisung kein - im Rahmen von § 281 ZPO relevanter - Fehler, hat die Verweisung ausnahmslos Bestand und ist das Gericht, an das bindend verwiesen wurde, endgültig für die Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits zuständig. Übergeordnete Gerechtigkeitserwägungen gebieten auch in Fällen wie dem vorliegenden nicht die Zulassung einer Rückverweisungsmöglichkeit.

a) Aus den vom LG für seine gegenteilige Auffassung angeführten obergerichtlichen Entscheidungen (wie folgt veröffentlicht: BayObLG NZI 2004, 147; OLG Celle NZI 2004, 260; OLG Oldenburg NZI 2008, 435) ergibt sich nichts anderes.

Sie betreffen, ebenso wie in jenem Kontext ergangene weitere Rechtsprechung (OLG Celle NZI 2004, 258; OLG Schleswig NZI 2004, 264; OLG Stuttgart OLGReport Stuttgart 2004, 184; vgl. auch BGH NZI 2006, 164 sowie Cranshaw juris-InsR 13/2008 Anm. 6), durchweg die Verweisung von Insolvenzverfahren und behandeln die Frage einer insoweit bestehenden Bindungswirkung gem. § 4 InsO i.V.m. § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO. Dabei wird vor allem die Pflicht des erstbefassten Insolvenzgerichtes hervorgehoben, die differenzierten Zuständigkeitsregeln des § 3 Abs. 1 InsO sowie die insoweit bestehende Amtsermittlungspflicht (§ 5 Abs. 1 S. 1 InsO) zu beachten; in diesem Kontext hätten sich die Insolvenzgerichte gegebenenfalls auch mit der Frage eines rechtsmissbräuchlichen Erschleichens der Zuständigkeit auseinanderzusetzen, wenn es um "Firmenbestattungen" gehe und im Zuge der Insolvenzantragstellung etwa der eingetragene...

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