Leitsatz (amtlich)
1. Zum notwendigen Begründungsumfang einer Mitteilung über die Beitragserhöhung in der privaten Krankenversicherung gehören die veränderte Rechnungsgrundlage und die Angabe, dass ein vorab festgelegter Schwellenwert, der aber nicht im Einzelnen benannt werden muss, überschritten sind.
2. Nicht ausreichend ist es, wenn als Gründe für die Beitragssteigerung die "Änderung der Versicherungsleistungen, ein geringerer Rechnungszins und die gesteigerte Lebenserwartung" genannt werden, ohne dass deutlich gemacht wird, welcher Umstand für die Prämienanpassung letztlich entscheidend war.
3. Aus der Erwähnung von "Gesundheitskosten" unter Hinweis auf die Weiterentwicklung von Diagnose- und Therapiemethoden als Grund für eine Beitragserhöhung kann der Versicherungsnehmer demgegenüber schließen, dass hiermit der auslösende Faktor Versicherungsleistungen gemeint ist.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 2607/20) |
Tenor
I. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass nach vorläufiger Auffassung beide Rechtsmittel zum Teil (das der Klägerin allerdings nur in geringem Umfang) Erfolg haben dürften:
Während in erster Instanz noch die Beitragserhöhungen im Tarif MC (M... M...) zum 1. April 2013 und im Tarif PZ2 (M... M... und M... M...) sowie im Tarif HMZ (M... M...) jeweils zum 1. Juli 2020 zwischen den Parteien im Streit waren, wobei das Landgericht festgestellt hat, dass die Beitragserhöhungen zum 1. Juli 2020 wirksam waren, sind diese Beitragsanpassungen nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens. Ebenfalls greift die Klägerin das landgerichtliche Urteil im Berufungsverfahren nicht an, soweit dieses davon ausgegangen ist, dass die Beitragsanpassung im Tarif KombiMed D85 zum 01. Januar 2020 unstreitig formell wirksam war (Seite 15 Mitte des Urteils).
Die Beitragsanpassungen im Tarif KombiMed D85 (M... M...) zum 01. Juli 2013, im Tarif PZ2 (M... M...) zum 1. Juli 2016, im Tarif HMZ (M... M...) zum 1. Juli 2017 und im Tarif KombiMed D 85 (M... M...) zum 01. Juli 2019 sind jeweils formell unwirksam (a). Dagegen genügen die Beitragserhöhungen im Tarif KombiMed DBE (M... M...) sowie BestMed Komfort BM4/2 (M... M...) jeweils zum 01. April 2016 und im Tarif BestMed Komfort BM4/2 (M... M...) zum 01. April 2017 den formellen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG (b).
Gründe
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 16. Dezember 2020, Az. IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19 - juris; Urteil vom 20. Oktober 2021, Az. IV ZR 148/20 - juris) erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Der Gesetzeswortlaut sieht die Angabe der "hierfür maßgeblichen Gründe" vor und macht damit deutlich, dass sich diese auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen müssen; eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genügt danach nicht (so BGH, Urteil vom 16. Dezember 2020, Az. IV ZR 294/16, Rdnr. 26 - juris). Zugleich folgt aus dem Wortlaut "maßgeblich", dass nicht alle Gründe genannt werden müssen, sondern lediglich die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in den § 155 Abs. 3 und 4 VAG oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet oder nicht. Dagegen ist die konkrete Höhe der Veränderung der Rechnungsgrundlagen, der Umfang der Überschreitung des Schwellenwerts oder die Angabe, ob sich der überschrittene Schwellenwert aus dem Gesetz oder den Versicherungsbedingungen ergibt, zur Information des Versicherungsnehmers nicht erforderlich (vgl. BGH a.a.O.; BGH, Urteil vom 21. Juli 2021, Az. IV ZR 191/20 - juris; OLG Celle, Urteil vom 13. Januar 2022, Az. 8 U 134/21 - juris). Ferner ist über die Nennung der Rechnungsgrundlage hinaus ein ausdrücklicher Hinweis auf eine nicht nur vorübergehende Veränderung dieser nicht geboten (vgl. dazu nur OLG Karlsruhe, Urteil vom 17. Februar 2022, Az. 12 U 202/21; OLG Stuttgart, Urteil vom 04. November 2021, Az. 7 U 204/21 - juris). Vielmehr gehört neben der veränderten Rechnungsgrundlage lediglich die Angabe, dass ein vorab festgelegter Schwellenwert überschritten worden ist, zum notwendigen Begründungsumfang einer Mitteilung nach § 203 Abs. 5 VVG (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2021, a.a.O.; Senat, Urteil vom 08. Februar 2022, Az. 4 U 1728/21; OLG Celle, a.a.O.). Denn die Mitteilung erfüllt so den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung waren, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat (so BGH, a.a.O.). Dagegen hat die Mitteilung...