Leitsatz (amtlich)
1. Die an Probleme der örtlichen Zuständigkeit anknüpfende Verweisung von einer Vergabekammer an eine andere Ver- gabekammer hat ihre Grundlage in einer entsprechenden Anwendung der §§ 83 Satz 1 VwGO, 17a Abs. 2 GVG. Sie ist unanfechtbar, solange sie nicht unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften erfolgt oder die Verweisung auf nicht vertretbaren rechtlichen Überle- gungen beruht und insofern willkürlich erscheint.
2. Mit dieser Maßgabe kann auch eine Verweisung von einer an sich zuständigen Vergabekammer an eine andere Vergabekammer jedenfalls dann erfolgen, wenn es sich um eine länderübergreifende Beschaffung i.S.d. § 106a Abs. 3 Satz 2 GWB handelt oder eine solche, an der neben Län- dern auch der Bund beteiligt ist.
Verfahrensgang
Landesdirektion Leipzig (Beschluss vom 29.05.2011; Aktenzeichen 1/SVK/015-12) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Verweisungsbeschluss der 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen bei der Landesdirektion Sachsen vom 29.5.2011 - 1/SVK/015-12 - wird als unzulässig verworfen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die den Antragsgegnerinnen entstandenen notwendigen Aufwendungen trägt die Antragstellerin.
Gründe
I. Die Antragsgegnerinnen - gesetzliche Krankenkassen und Ersatzkassen - schrieben mit europaweiter Vergabebekanntmachung vom 22.03. und 24.3.2012 eine Rabattvereinbarung für saisonale Grippeimpfstoffe für die Impfsaison 2012/2013 in Sachsen und Thüringen aus. Als zuständige Stelle für das Nachprüfungsverfahren gaben sie unter Ziffer VI. 4.1 die Vergabekammer des Bundes an.
Die Antragstellerin rügte mit Schreiben vom 5.4.2012 u.a. die Benennung der Vergabekammer des Bundes als zuständige Stelle für das Nachprüfungsverfahren. Die Antragsgegnerinnen teilten mit Schreiben vom 18.4.2012 mit, dass sie der Rüge nicht abhelfen.
Am 3.5.2012 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Durchführung des Nachprüfungsverfahrens bei der 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen. Die Antragsgegnerinnen beantragten, den Nachprüfungsantrag an die Vergabekammer des Bundes zu verweisen.
Die 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen hat mit Beschluss vom 29.5.2012 das Nachprüfungsverfahren an die Vergabekammer des Bundes beim BKartA verwiesen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, dass sie ebenso zuständig sei wie die Vergabekammer des Bundes, jedoch das Wahlrecht der Antragstellerin durch die Benennung der Vergabekammer des Bundes in der Vergabebekanntmachung in zulässiger Weise eingeschränkt worden sei.
Hiergegen hat die Antragstellerin mit am 6.6.2012 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Sie geht von der Statthaftigkeit der Beschwerde nach dem Wortlaut des § 116 GWB und auch deshalb aus, weil in der Rechtsprechung anerkannt sei, dass mit der Beschwerde in der Hauptsache nicht mehr angreifbare Zwischenentscheidungen angefochten werden könnten. Die Verweisung sei schon deshalb unzulässig, weil die 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen nicht unzuständig sei. Eine einseitige Zuständigkeitskonzentration durch die Antragsgegnerinnen sei nicht möglich.
Die Antragstellerin beantragt, den Verweisungsbeschluss der 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen im Vergabenachprüfungsverfahren 1/SVK/015-12 vom 25.5.2012 aufzuheben und das Verfahren an die von ihr, der Antragstellerin, ausgewählte zuständige Vergabekammer des Freistaates Sachsen zu verweisen.
Die Antragsgegnerinnen beantragen, die sofortige Beschwerde als unstatthaft zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Sie tragen vor, es handele sich um eine Zwischenentscheidung der Vergabekammer, die nicht mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sei. Dies erfordere auch die Beschleunigungsmaxime des § 113 GWB. Die Verweisungsentscheidung sei nicht willkürlich und daher bindend. Im Übrigen sei die sofortige Beschwerde auch unbegründet.
II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
A.1. Die sofortige Beschwerde ist schon nicht statthaft. Entscheidungen der Vergabekammer über die Verweisung des Nachprüfungsverfahrens an eine andere Vergabekammer sind nicht isoliert anfechtbar. Allerdings mag zweifelhaft sein, ob der vom OLG Düsseldorf (vgl. Beschl. v. 18.1.2005 - VII Verg 104/04 - zitiert nach juris) formulierte Grundsatz, gegen Zwischenentscheidungen der Vergabekammer sei die sofortige Beschwerde allgemein nicht eröffnet, nach wie vor Gültigkeit beanspruchen kann. Für Verweisungsentscheidungen der Vergabekammer trifft er jedenfalls zu.
Die zuständigkeitsbedingte Verweisung von einer Vergabekammer an eine andere ist gesetzlich nicht geregelt. Der Senat hält eine entsprechende Anwendung der §§ 83 Satz 1 VwGO, 17a Abs. 2 GVG für sachgerecht (ebenso: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.1.2005, a.a.O.; OLG Jena, Beschl. v. 16.7.2007 - 9 Verg 4/07 - zitiert nach juris). Denn das Vergabenachprüfungsverfahren ist dem Verwaltungsgerichtsverfahren angenähert, weshalb die Verwaltungsgerichtsordnung zur Ausfüllung von Gesetzeslük-ken herangezogen werden kann...