Leitsatz (amtlich)
Ein Zustellungsadressat, der seine Meldeadresse am Zustellungsort belässt, dort auch noch einen Briefkasten unterhält und die Veränderung seines Wohnsitzes auch nicht durch sein Verhalten nach außen dokumentiert, muss sich auch nach einer Wohnsitzverlagerung die an der Meldeadresse erfolgte Zustellung jedenfalls nach Treu und Glauben zurechnen lassen.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 6 O 1185/20) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
Es ist beabsichtigt, hierbei auch den Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Berlin-Wedding vom 03.04.2020, Geschäftsnummer xx-xxxxxxx-x-x abzuweisen.
2. Der Beklagte hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
3. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 34.505,89 EUR festzusetzen.
4. Der Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten vom 16.08.2020 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Kläger geht gegen den Beklagten aus einem Vollstreckungsbescheid vor, der dem Beklagten am 08.04.2020 unter der H ... Straße xx, 00000 N ... zugestellt worden ist. Hiergegen hat dieser am 05.06.2020 Einspruch eingelegt und wegen der Fristversäumung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung beantragt. Er hat behauptet, er habe erst am 28.05.2020 durch Mitteilung der Gerichtsvollzieherin Kenntnis vom Vollstreckungsbescheid erlangt. Dem Kläger wirft er vor, wider besseres Wissen die Zustellung an den Beklagten unter der N ... Adresse veranlasst zu haben.
Das Landgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit dem angefochtenen Urteil als unzulässig verworfen und den Vollstreckungsbescheid aufrechterhalten. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Mit seiner Berufung macht der Beklagte geltend, das Landgericht habe den Einspruch des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid zu Unrecht als unzulässig verworfen. Fehlerhaft habe es eine wirksame Zustellung angenommen, die diesbezüglichen Einwendungen des Beklagten nicht richtig gewürdigt und das rechtliche Gehör des Beklagten dadurch verletzt, dass ihm kein Schriftsatzrecht zum Zwecke der Erwiderung auf den klägerischen Schriftsatz vom 07.07.2020 eingeräumt worden war und das Gericht zudem fehlerhaft ohne mündliche Verhandlung entschieden hat.
Er beantragt,
1) Unter Abänderung des am 14.07.2020 und am 21.07.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Dresden, Aktenzeichen: 6 O 1185/20, wird dem Kläger Wiedereinsetzung in den Zeugenstand bewilligt und dem Einspruch des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Berlin-Wedding vom 03.04.2020, Geschäftsnummer: xx-xxxxxxx-x-x, stattgegeben und der Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2) Unter Abänderung des am 14.07.2020 und am 21.07.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Dresden, Aktenzeichen: 6 O 1185/20, wird die Vollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts ... vom 03.04.2020, Geschäftsnummer: xx-xxxxxxx-x-x, vorläufig eingestellt, hilfsweise gegen Sicherheitsleistungen.
3) Hilfsweise wird beantragt, den Rechtsstreit durch die Kammer entscheiden zu lassen und die Revision zuzulassen.
II. Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Beklagten bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht der Klage stattgegeben und die Anträge des Beklagten zurückgewiesen. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung des Beklagten greifen nicht durch. Denn durch sie werden keine konkreten Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründet, die deshalb eine erneute oder auch nur ergänzende Feststellung gebieten könnten (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte die am 15.04.2020 unter der Anschrift H ... Straße xx in 00000 N ... vorgenommene Zustellung gegen sich gelten lassen muss.
1. Unstreitig hat die Zustellerin den Vollstreckungsbescheid in der H ... Straße xx in einen Briefkasten eingeworfen, der den Namen "G ..." und damit auch den Nachnamen des Beklagten trug. Hierzu war sie berechtigt. Der Zusteller ist grundsätzlich nicht zu näheren Nachforschungen verpflichtet (und dazu etwa in der Wohnung auch nicht berechtigt) (Stein/Jonas-Roth, ZPO, 23. Aufl., Bd. III § 178 Rz. 8).
2. Es ist unerheblich...