Leitsatz (amtlich)

1. Im Prozesskostenhilfeverfahren über eine Arzthaftungsstreitigkeit sind nur maßvolle Anforderungen an das Vorbringen des Patienten zu stellen. Jedoch genügt es nicht, dem Arzt nur den negativen Ausgang einer Behandlung vorzuwerfen, erforderlich ist vielmehr, dass angegeben wird, worin ein Behandlungsfehler zu sehen sein soll.

2. Die Erstattung von Dolmetscherkosten kann ein Rechtsanwalt nur verlangen, wenn eine Verständigung mit dem Mandanten nicht durch andere Personen aus dessen Nahbereich erfolgen kann und wenn der Rechtsuchende nicht über Deutschkenntnisse verfügt, die es ihm zumindest erlauben, die für sein Begehren nötigen Informationen selbst zu erteilen.

 

Verfahrensgang

LG Görlitz (Aktenzeichen 1 O 31/20)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Antragsstellers zu 1) gegen den Beschluss des Landgerichts Görlitz vom 25.08.2020 wird zurückgewiesen.

II. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zu 2) wird der Beschluss des Landgerichts Görlitz vom 25.08.2020 abgeändert und der Antragstellerin zu 2) ratenlose Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R ..., G ..., für folgenden Klageantrag bewilligt:

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld bis zu 7500,- EUR zu zahlen;

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den materiellen Schaden aus der infolge unterbliebener Einwilligung unwirksamen zahnärztlichen Behandlung vom 03.01.2017 zu erstatten.

III. Der Antrag auf Beiordnung eines Dolmetschers für die russische Sprache wird abgelehnt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die bedürftigen Antragsteller begehren jeweils unabhängig voneinander Prozesskostenhilfe. Der Antragsteller zu 1) wendet sich gegen die Zahlung eines Eigenanteils aus der Behandlung beim Antragsgegner im Zeitraum vom 04.05. bis 27.10.2017, begehrt die Überlassung eines schriftlichen Behandlungsvertrags sowie Einsicht in die Behandlungsunterlagen und macht darüber hinaus "medizinische Fehler" geltend, weil anstelle einer zunächst vorgesehenen Operation drei Operationen erfolgt seien und der Antragsgegner es unterlassen habe, "nach der Operation eine Schutzvorrichtung zu installieren" (undatiertes Schreiben D1, Bl. 71 d. A.). Die Antragsgegnerin zu 2) behauptet, seit einer Zahn-Implantation vom 03.01.2017 an Taubheitsgefühlen und Schwellungen zu leiden, die sie auf einen Behandlungsfehler des Antragsgegners zurückführt. Sie sei des Weiteren vor dieser Operation nicht über die Risiken sowie mögliche Alternativen aufgeklärt worden (Anlage D7, Bl. 120 d. A.).

Das Landgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Der Antragsteller zu 1) könne seine Einwände im Verfahren 1 O 58/20 vorbringen, in dem es darum gehe, ob er dem Antragsgegner bzw. Zessionar zur Zahlung verpflichtet sei. Eine nicht arme Partei würde keine zwei Rechtsstreitigkeiten führen. Der Antrag der Antragstellerin zu 2) habe keine hinreichen Aussicht auf Erfolg, weil der Sachverhalt im Wesentlichen ungeklärt sei. Die vom Antragsgegner vorgelegte Korrespondenz mit dem Haftpflichtversicherer zeige, dass Ansprüche bereits 2018 geprüft, von diesem aber abgelehnt worden seien. Dies habe die Antragstellerin zunächst hingenommen, einen schlüssigen Sachverhalt trage sie im Übrigen nicht vor.

Gegen den ihnen am 27.08.2020 zugestellten Beschluss haben beide Antragsteller mit am 28.09.2020 (Montag) eingegangenem Schreiben sofortige Beschwerde beim Oberlandesgericht eingelegt, in der sie ihr Vorbringen vor dem Landgericht wiederholen.

II. Auf die zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegte sofortige Beschwerde war der o. a. Beschluss des Landgerichts zugunsten der bedürftigen Antragstellerin zu 2) in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang abzuändern. Dass die Beschwerde unmittelbar beim Oberlandesgericht eingelegt wurde und daher das Landgericht keine Möglichkeit zur Abhilfe hatte, steht dem nicht entgegen (Zöller-Heßler, ZPO, 33. Aufl. § 572 Rn. 4). Die Beschwerde des Antragstellers zu 1) war hingegen zurückzuweisen.

1. Soweit er in seinem zum Teil nur schwer verständlichen Vorbringen Einwände gegen die Honorarforderung aus dem Behandlungsvertrag erhebt und hierfür Prozesskostenhilfe begehrt, hätte eine selbständige Klage mangels anderweitiger Rechtshängigkeit im Verfahren 1 O 58/20 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Ein solches Klageziel ließe sich nur im Wege der negativen Feststellungsklage verfolgen. Eine nach der Leistungsklage erhobene negative Feststellungsklage über denselben Anspruch ist aber, weil ihr Streitgegenstand von der Leistungsklage umfasst wird, schon wegen der anderweitigen Rechtshängigkeit nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO unzulässig (Zöller- Greger, ZPO, 33. Aufl., § 256 ZPO, Rn. 16; OLG Köln, Urteil vom 17.06.2020 - I-11 U 186/19 -, Rn. 67, juris). Dass ein Anspruch auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen außergerichtlich überhaupt geltend gemacht wurde, trägt der Antragsteller nicht vor, eine Rechtsverfolgung in einem separaten Prozess hat das Landgericht daher zu ...

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