Leitsatz (amtlich)
1. Es steht zur Beweislast des klagenden Patienten, dass die behaupteten Schäden sich in einem Bereich ereignet haben, der von Behandlungsseite vollbeherrschbar ist.
2. Beim Einsatz eines Traktionsstabs im Rahmen einer Hüftarthroskopie können Druckschäden nicht sicher vermieden werden. Derartige Schäden stellen daher kein vollbeherrschbares Risiko dar.
3. Der in einem Aufklärungsgespräch erfolgte Hinweis auf mögliche Druckschäden, die "meist nicht zu Dauerschäden" führen, vermittelt nicht den unzutreffenden Eindruck, derartige Dauerschäden könnten unter keinen Umständen eintreten.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 08 O 948/17) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Leipzig vom 15.01.2021 - Az.: 8 O 948/17 - wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das angefochtene Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt die Zahlung von Schmerzensgeld und die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für sämtliche materiellen und unvorhersehbaren künftigen immateriellen Schäden wegen einer behaupteten Fehlbehandlung im Hause der Beklagten am 03.07.2015. An diesem Tag unterzog sich die Klägerin einer durch den Beklagten zu 2) als Operateur durchgeführten Hüftgelenksarthroskopie. Hierbei kam es unstreitig zu Druckschäden an der Scheide der Klägerin, verursacht durch einen bei dieser Art der Operation anzuwendenden Gegenzugstab, der auf die Schamgegend drückt.
Wegen der Einzelheiten der Behandlungsfehlervorwürfe und der Operation wird auf den Tatbestand es angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Landgericht hat nach Einholung eines orthopädisch-chirurgischen und eines gynäkologischen Gutachtens sowie nach Anhörung des orthopädischen Sachverständigen, der Klägerin, des Beklagten zu 2) und der Vernehmung von Zeugen die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihr ursprüngliches Klageziel vollumfänglich weiter.
Sie rügt, das Landgericht habe zu Unrecht eine ordnungsgemäße Aufklärung angenommen. Diese sei inhaltlich ungenügend und obendrein verharmlosend gewesen.
Das Landgericht habe die Beweislastverteilung hinsichtlich des Lagerungsschadens verkannt, denn der streitgegenständliche Sachverhalt habe sich entgegen der Auffassung des Landgerichts im Bereich des vollbeherrschbaren Risikos bewegt. Das Erstgericht habe zudem verkannt, dass die das Personal der Beklagten auch in der Sache unter Verletzung gegen ärztliche Standards gehandelt habe, indem es die zulässige Operationsdauer überschritten, eine unzureichende Polsterung vorgenommen und den Gegenzugstab unsorgfältig angebracht habe.
Verfahrensfehlerhaft habe das Landgericht sich nicht hinreichend mit den MDK-Gutachten vom 29.03.2016 und 20.03.2019(K 1 und K 16) auseinandergesetzt, die eine unzureichende Polsterung bei langer Operationsdauer festgestellt hätten.
Die Klägerin beantragt,
1. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von 20.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.11.2016 sowie an vorgerichtlichen Kosten 1.939,96 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
2. Festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche entstandenen und noch entstehenden materielle Schäden und im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbare immaterielle Schäden zu ersetzen, welcher dieser aus der fehlerhaften und rechtswidrigen Behandlung in der Zeit vom 03.06.2015 - 07.07.2015 in der Klinik der Beklagten zu 1) entstanden sind und noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil.
Der Senat hat in mündlicher Verhandlung die Klägerin erneut informatorisch angehört.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll vom 11.05.2021 verwiesen.
II. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Die Klägerin hat einen Behandlungsfehler des Personals der Beklagten während der streitgegenständlichen Operation nicht bewiesen. Fest steht lediglich, dass die postoperativ bei ihr eingetretene Schamlippenschwellung und die Drucknekrosen F...